Rechtsprechung

Viele Entscheidungen, an denen wir mitgewirkt haben, sind in den Urteilssammlungen der Gerichte und in Fachzeitschriften veröffentlicht. Hier finden Sie überwiegend Instanzentscheidungen, für die das nicht, bzw. noch nicht gilt, die wir aber gleichwohl für wichtig halten:

LG Berlin zur Verjährung von Ansprüchen gegen Alt-Beiträge in Online-Archiven
(LG Berlin Az. 27 O 31/19)

Nach einem gerichtlichen Hinweis der Pressekammer des Landgerichts Berlin verjähren Ansprüche gegen in Online-Archiven gespeicherte und abrufbare Medienveröffentlichungen unabhängig von der Kenntnis des Betroffenen von dem konkreten Beitrag gemäß § 199 Abs. 4 und 5 BGB spätestens innerhalb von 10 Jahren nach dem Datum ihrer Veröffentlichung. Zu einem Urteil ist es aufgrund einer Klagerücknahme nach diesem Hinweis nicht mehr gekommen.
Im konkreten Fall ging es um einen Artikel, der am 21.03.2000 im Internetangebot der Stiftung Warentest unter der Domain „test.de“ erschienen war. In diesem Beitrag hatte die Redaktion der Zeitschrift „Finanztest“ über die Verhaftung des späteren Klägers berichtet und Anleger vor einer Kapitalanlage bei einer Firma gewarnt, zu deren Mitgliedern der Geschäftsleitung der Kläger damals gehörte.
Der Kläger hatte seit 2007 immer wieder die Stiftung Warentest angeschrieben und zur Löschung des im Online-Archiv von „test.de“ abrufbaren Beitrags aufgefordert, da dieser unter anderem angeblich auch bei Eingabe seines Namens in Suchmaschinen in der Ergebnisliste angezeigt werde. Dabei hatte er zunächst nicht behauptet, dass die Berichterstattung unzutreffend sei, sondern nur die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt seines Rehabilitationsinteresses geltend gemacht. Erstmals mit einem Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten vom August 2018 behauptete der Kläger, dass die streitgegenständliche Berichterstattung auch inhaltlich unzutreffend sei und reichte im Dezember 2018 eine Unterlassungsklage beim Landgericht Berlin ein.
Mehr als 18 Jahre nach der Veröffentlichung des angegriffenen Artikels waren bei der Beklagten keine Rechercheunterlagen mehr vorhanden, sodass diese die berichtete Verhaftung nicht mehr beweisen konnte. Die Beklagte erhob in dieser Situation die Einrede der Verjährung.
In der mündlichen Verhandlung am 05.09.2019 wies der Vorsitzende der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin, Holger Thiel, darauf hin, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach Auffassung des Gerichts verjährt sei. Bei einem Beitrag, der ausschließlich in einem Online-Archiv abrufbar und deutlich erkennbar mit dem Datum der Erstveröffentlichung als Altbeitrag gekennzeichnet sei, stelle das Gericht für den Beginn der absoluten 10-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 4 und 5 BGB auf das Datum der Erstveröffentlichung ab. Damit sei hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs von einer Verjährung am 31.03.2010 auszugehen. Nachdem dieser Hinweis protokolliert worden war, nahmen die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Klage zurück.
Die Rechtsauffassung des Landgerichts Berlin ist für Online-Archive von Medienunternehmen von großer Bedeutung, da immer wieder mit großem zeitlichen Abstand zur Veröffentlichung Ansprüche gegen dort abrufbare Alt-Beiträge geltend gemacht werden. Die Frage, ob die Abrufbarkeit derartiger Beiträge verjährungsrechtlich als Dauerhandlung zu beurteilen ist, mit der Konsequenz, dass die Verjährung nicht beginnen kann solange sie dort abrufbar sind, ist bisher gerichtlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten.

„Das Gesicht der Vormundschaft“ – BGH stärkt Presse in der Personalisierung abstrakter Themen
(BGH, Urt. v. 09.04.2019, Az. VI ZR 533/16; Vorinstanzen OLG Hamburg, Az. 7 U 100/14; LG Hamburg, 324 O 12/14)

Mit seinem Urteil vom 09.04.2019 hat der Bundesgerichtshof weitere Präzisierungen vorgenommen, wann von einem Bildnis der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auszugehen ist. Im Streitfall ging es um die Personalisierung und Bebilderung des abstrakten Themas der Vormundschaft. Eine zulässige Bildberichterstattung, so der BGH zu dieser Konstellation, setzte nicht voraus, dass der Abgebildete einen aktuellen Anlass hierfür gesetzt habe.

Was war geschehen? Geklagt hatte die Tochter eines berühmten deutschen Schauspieler-Ehepaares. Nach dem Tode beider Eltern hatte eine Freundin der Familie – ebenfalls eine bekannte Schauspielerin – die Vormundschaft für die noch minderjährige Tochter übernommen und dies in ihrem Beisein auch gegenüber der Presse geäußert.

Auf dem streitgegenständlichen Foto war die Klägerin – mittlerweile volljährig – mit der Vormundin auf einer öffentlichen Veranstaltung, der Fashion Week in Berlin, zu sehen. Beide posierten lächelnd für die Kamera und präsentierten ein Lebkuchenherz und gemeinsame Fotos aus einem Passbildautomaten. Der beklagte Verlag hatte mit diesem Foto den Artikel “Eine Mutter für das Waisenkind” bebildert und in der Rubrik „Familienratgeber – Fürsorge“ abgedruckt. Gegenstand der Berichterstattung war die Übernahme der Vormundschaft. Hintergrund der Berichterstattung war ein Interview, das die Vormündin der Zeitung zu einem Film gegeben hatte, der am gleichen Abend ausgestrahlt und auf den am Ende des Beitrags hingewiesen wurde.

Das OLG Hamburg als Vorinstanz (Urt. v. 15.11.2016, Az. 7 U 100/14) sah im „Fashion-Week-Foto“ kein Bildnis der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Es argumentierte: Damit der ohnehin weite Begriff der Zeitgeschichte nicht ins Uferlose gehe und das Recht am eigenen Bild nicht ausgehöhlt werde, müsse der Abgebildete schon einen berechtigten Anlass für die Bildberichterstattung bieten. Ein solcher fehlte jedoch aus Sicht des Berufungsgerichts: Die Fashion-Week, auf der das Foto entstanden sei, sei nicht das berichtete Ereignis. Die Vormundschaft könne ebenfalls keinen Anlass für die Berichterstattung geben, weil sie zur Zeit der Veröffentlichung bereits beendet gewesen sei. Das gewählte Thema der familiären Fürsorge sei so konturenlos, dass letztlich jeder eine Bildberichterstattung hinnehmen müsse.

Der Bundesgerichtshof widersprach. Er bejahte ein „Bildnis der Zeitgeschichte“, da die Berichterstattung – in der Abgrenzung zur reinen Neugierbefriedigung – eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse sachbezogen erörtert habe (Elterliche Sorge für Waisen / Vormundschaft). Das abstrakte Thema sei am Beispiel der Klägerin in zulässiger Weise veranschaulicht worden. Die Prominenz der Vormündin und der verstorbenen Eltern habe die Wahrnehmung des Diskussionsbeitrags und dadurch des Themas in der Öffentlichkeit gefördert. Durch das Stilmittel der Personalisierung, so der BGH, könne bei der Leserschaft das Interesse und der Wunsch nach Sachinformationen geweckt werden.

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OLG Düsseldorf: Kritik an unstreitigem Verhalten eines Unternehmens keine Verdachtsberichterstattung – unbestimmte Antragsfassung
(OLG Düsseldorf v. 21.02.2019, Az. I-16 U 179/17)

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit einer Entscheidung vom 21.02.2019 über zwei wichtige Grundsatzfragen der Verdachtsberichterstattung entschieden:

Der erste Punkt betrifft Anträge, die im Falle einer Verdachtsberichterstattung so gefasst sind, dass untersagt werden soll „identifizierend“ über den Antragsteller zu berichten, „wenn dies geschieht“ wie in dem dann eingeblendeten vollständigen Artikel. Nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf sind derartige Anträge mangels hinreichender Bestimmtheit gem. § 253 Abs.2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Zwar seien Verallgemeinerungen bei der Formulierungen von Unterlassungsanträgen zulässig. Es müsse jedoch immer das Charakteristische der Verletzungsform zum Ausdruck kommen. Das gelte insbesondere im Äußerungsrecht, wo das Verbot mit Blick auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gem. Art 5 Abs.1 GG zwingend auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken sei. Die schlichte Bezugnahme auf die gesamte Berichterstattung genüge diesem Erfordernis nicht. Bei derartigen Anträgen bleibe es letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen, worauf sich das Verbot erstrecke. Dies sei im Interesse der Rechtssicherheit nicht hinzunehmen.

Der zweite wichtige Gesichtspunkt der Entscheidung betrifft die Frage, in welchem Umfang die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung mit ihren insbesondere gegenüber Meinungsäußerungen verschärften Voraussetzungen anwendbar sind. Insbesondere ging um die Frage, ob bereits die kritische Bewertung eines im Übrigen unstreitigen Verhaltens der Klägerin als Verdacht zu bewerten ist, so dass die Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung einzuhalten sind. Im konkreten Fall ging es u.a. um die Aussage, dass eine Verbraucherkreditbank aufgrund ihrer großzügigen Vergabepraxis „womöglich auch nicht ganz unschuldig“ daran sei, dass einer ihrer Kunden aus Verzweiflung über seiner Verschuldung zum Bankräuber geworden war. Das OLG schließt zunächst aus, dass diese Aussage so verstanden werden kann, dass die Bank bzw. ihre Angestellten sich als Anstifter oder Helfer selbst strafbar gemacht haben könnten. Sodann stellt es fest, dass es sich bei der Aussage um eine bewertende Stellungnahme zu einem unstreitigen tatsächlichen Geschehen handelt. Einer Verdachtsberichterstattung liege jedoch die Konstellation zugrunde, dass eine Tatsachenbehauptung verbreitet werde, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist. Der Vorwurf, die Klägerin trage eine Mitschuld daran, dass ihr Kunde zum Bankräuber wurde, sei ausschließlich moralischer Natur. Im Gesamtkontext des Beitrags gehe es um eine kritische Bewertung der Geschäftspraktiken der Klägerin. Folgerichtig kam es auf die streitigen Umstände der Anhörung im konkreten Fall nicht mehr an. Insbesondere verwarf das OLG auch die Argumentation der Klägerin, dass auch im Fall einer „überobligatorischen Anhörung“ immer die darauf erfolgte Stellungnahme wiederzugeben sei.

BGH: Grundsätze der Drittunterwerfung auch im Äußerungsrecht anwendbar
(BGH v. 04.12.2018, Az. VI ZR 128/18; Vorinstanzen: OLG Hamburg Az. 7 U 175/16; LG Hamburg Az. 324 O 70/16)

Eine bereits einmal abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber einem Betroffenen kann grundsätzlich auch im Presserecht die Wiederholungsgefahr und damit die Ansprüche anderer, durch dieselbe Veröffentlichung Betroffener beseitigen. Das ist die Quintessenz eines bereits am 04.12.2018 im Tenor verkündeten Urteils, dass den Parteien jetzt begründet zugestellt worden ist. Damit hat der Bundesgerichtshof eine lange umstrittene Frage gegen die vorherrschende Meinung in der Literatur entschieden.

In den Vorinstanzen hatten das Landgericht und das Oberlandesgericht Hamburg die Rechtsfrage noch anders beurteilt. Der BGH hat die Argumentation der Hamburger Gerichte in seiner Entscheidung jedoch verworfen. Ebenso wie im Wettbewerbsrecht könne die Wiederholungsgefahr ihrer Natur nach nicht unterschiedlich im Verhältnis zu verschiedenen Verletzten beurteilt werden, da bei ein und derselben Handlung die Wiederholungsgefahr nicht einem Gläubiger gegenüber beseitigt, dem anderen gegenüber jedoch fortbestehen könne. Eine abweichende Beurteilung sei auch bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht geboten. Ob die Wiederholungsgefahr objektiv besteht, sei von der rechtlichen Eigenart des geschützten Rechtsguts unabhängig.

Entscheidend für den Wegfall der Wiederholungsgefahr durch eine einmal abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung auch gegenüber Dritten (Drittunterwerfung) sei, dass die bereits abgegebene Unterwerfungserklärung den nachfolgend geltend gemachten Anspruch inhaltlich voll abdeckt und dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Dritte bei einer Wiederholung der beanstandeten Äußerungen die nur ihm zustehenden Sanktionsmöglichkeiten tatsächlich ausschöpft, also in der Regel eine Vertragsstrafe geltend macht.

Soweit das Oberlandesgericht Hamburg argumentiert hatte, dass im Äußerungsrecht Sachverhaltsvarianten denkbar seien, bei denen eine neue Aussage des Schuldners zwar nach der „Kerntheorie“ von der Unterlassungserklärung erfasst, der Dritte jedoch nicht betroffen sei, ist der BGH dem nicht gefolgt. Zwar hat er offen gelassen, in welchem Umfang die „Kerntheorie“ auf das Recht der Wortberichterstattung übertragbar ist. Im konkreten Fall hat er indes ausgeschlossen, dass ein Unterlassungsanspruch über eine Berichterstattung ohne Identifizierung des dortigen Dritten dergestalt möglich ist, dass sie noch von der abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung erfasst ist.

Der BGH hat die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht wird nun aufzuklären haben, ob im konkreten Fall der Unterlassungsvertrag mit dem ersten Gläubiger geeignet ist, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Dazu muss die Beklagte beweisen, dass der Erstgläubiger bereit und geeignet erscheint, bei einer Wiederholung der betreffenden Aussage die ihm zustehenden Sanktionsmöglichkeiten auszuschöpfen. Da die Erstgläubiger im Äußerungsrecht, anders als häufig im Wettbewerbsrecht, keine Verbände seien, zu deren satzungsmäßigen Aufgabe die Verfolgung von Rechtsverstößen gehören, müssen dazu jetzt konkrete Feststellungen getroffen werden.

urteil_bgh_vi_zr_128_18.pdf (pdf, 488 kB)

Zum Eintrag eines Unternehmens in eine "Warnliste Geldanlage“
(OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2019, Az. 4 U 233/18)

In einer äußerungsrechtlichen Auseinandersetzung mit einem Beteiligungsunternehmen war die Stiftung Warentest auch in der Berufungsinstanz erfolgreich. Sie hatte das Unternehmen als “unseriös” bewertet, in die “Warnliste Geldanlage” aufgenommen und in der redaktionellen Berichterstattung u.a. darüber informiert, dass gegen einen der früheren Gründer wegen gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt werde.

Die Klägerin begehrte Unterlassung. Sie meinte, dass durch diese Berichterstattung für den Leser zwingend der (unwahre) Eindruck erweckt werde, dass nicht nur gegen den früheren Gründer, sondern auch gegen die heutige Gesellschaft bzw. ihre Verantwortlichen ermittelt werde.

Das OLG Stuttgart folgte dieser Argumentation nicht. Ermittlungen gegen die Klägerin, so der Senat, seien nicht suggeriert worden. Insbesondere habe die Beklagte nicht zur Entlastung der Klägerin ausdrücklich mitteilen müssen, dass gegen Verantwortliche der Klägerin nicht ermittelt werde. Zum einen handele es sich hierbei um eine negative Tatsache, deren vollständigen Wahrheitsgehalt die Beklagte nicht habe prüfen können. Zum anderen, so das OLG, handele es sich “aufgrund der allgemein bekannten Unschuldsvermutung … um den Normalfall, dass Personen nicht vorbestraft sind und dass gegen diese nicht strafrechtlich ermittelt wird” (BU, S. 31). Das muss in derartigen Fällen also nicht gesondert mitgeteilt werden.

Die Aufnahme in die Warnliste stufte das OLG Stuttgart auch unter Hinweis auf die sog. “Test-Rechtsprechung” des Bundesgerichtshofs als zulässige Meinungsäußerung ein. Der Senat betonte, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, alle Anknüpfungspunkte für ihr Werturteil bereits in der Berichterstattung mitzuteilen, “denn die Möglichkeit, seine Meinung frei zu äußern wäre erheblich eingeschränkt, wenn ein Werturteil nur unter gleichzeitiger und insbesondere vollständiger Angabe der Tatsachen, die es tragen, in die Öffentlichkeit gelangen dürfte. Dies gilt auch … im Bereich der Wirtschaftsberichterstattung” (BU, S. 31).

Daran, dass die im Verfahren vorgetragenen Anknüpfungstatsachen das Werturteil „unseriös“ trugen, ließ das OLG keinen Zweifel (BU, S. 33 ff.). Es begründete dies neben anderen Gesichtspunkten damit, dass das Geschäftsmodell der Klägerin seinerzeit “von einem einschlägig wegen Vermögensdelikten verurteilten Straftäter mitentwickelt wurde” (BU, S. 34) und dass einer der heutigen Vorstände Privatinsolvenz angemeldet habe. Aus der Sicht von Kapitalanlegern habe es erhebliches Gewicht, dass “ein Vorstand der Klägerin, der ihr Vermögen verwalten soll, schon privat nicht in der Lage war, seine eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse zu übersehen” (BU, S. 34).

olg_stuttgart_4_u_233-18.pdf (pdf, 659 kB)

OLG Hamburg: Zum Tod von Günter Grass – Veröffentlichung des Grabfotos mit Blechtrommel zulässig
(OLG Hamburg vom 11.07.2017, Az.: 7 U 72/16; I. Instanz LG Hamburg vom 05.02.2016, Az.: 324 O 341/15; nicht rechtskräftig)

Durfte anlässlich der Beerdigung des Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass ein Foto veröffentlicht werden, dass das offene Grab mit seinem Sarg und die darauf von dem Regisseur Volker Schlöndorff platzierte Blechtrommel zeigte? Das Hanseatische Oberlandesgericht hat diese Frage mit „Ja“ beantwortet, nachdem das Landgericht dies in der ersten Instanz noch anders gesehen hatte. Der Regisseur der Verfilmung des größten Grass-Erfolges „Die Blechtrommel“, Volker Schlöndorff, hatte dem verstorbenen Literatur-Nobelpreisträger auf seinem letzten Weg eine Kopie der berühmten Blechtrommel aus dem gleichnamigen Erfolgs-Roman auf den Sarg gelegt und das offene Grab mit dieser symbolischen Geste fotografiert und an die Medien weitergegeben. Gegen die Veröffentlichung des Fotos auf „bild.de“ war die Witwe des Schriftstellers gerichtlich vorgegangen und hatte in erster Instanz bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg noch Recht bekommen. Das Landgericht hatte die Betroffenheit der Witwe bejaht, obwohl diese in dem Bericht nicht erwähnt worden war und dies damit begründet, die Berichterstattung lade zu der Frage ein, ob diese Beerdigung mit all ihrem Beiwerk im Sinne des Verstorbenen sei“. Obwohl auch das Landgericht ein „ganz erhebliches öffentliches Interesse an den Umständen der Beerdigung von Günter Grass“ bejahte, überwogen nach seiner Ansicht die Interessen der Witwe, u.a. weil die Verwirklichung der Grabausgestaltung dazu einlade „die Art und Weise der Beerdigung, wie sie im Grab ihren Niederschlag gefunden hat, zu hinterfragen“. Dies sei ein erheblicher Einbruch in die Privatsphäre der Klägerin.

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat dies nun anders beurteilt. Es hat bereits die Betroffenheit der Witwe in Frage gestellt, dies aber letztlich offen gelassen, da es überwiegende Interessen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Fotos bejaht hat. Es hat dies unter anderem mit der einmaligen Symbolik der Geste von Volker Schlöndorff begründet und darüber hinaus darauf abgestellt, dass der Verstorbene Schriftsteller selbst ein Interesse an seiner Beerdigung geschaffen habe, in dem er in seinem letzten Werk „Vonne Endlichkait“ zu seiner Beerdigung einschließlich der Beschaffenheit seines Sarges Stellung genommen habe. Die noch vom Landgericht angestellte Überlegung, dass aufgrund der Veröffentlichung des Geschehens „Souvenirjäger“ die Totenruhe des Verstorbenen stören könnten, hielt der Senat für „wenig naheliegend“. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde läuft noch.

urteil_olg_hamburg_vom_11.07.2017.pdf (pdf, 628 kB)

Oberlandesgericht Köln: Kein Verweis auf Möglichkeit der anonymisierten Berichterstattung
(OLG Köln v. 03.10.2016, Az. 15 U 127/16; I. Instanz LG Köln v. 20.07.2016, Az. 28 O 67/16, inzwischen rechtskräftig)

Nachdem das Landgericht Köln bereits mit Urteil vom 20.7.2016 (Az. 28 O 67/16) eine entsprechende Klage abgewiesen hatte, hat das Oberlandesgericht Köln im Oktober 2016 in einem Hinweisbeschluss bestätigt, dass eine Berichterstattung über wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre grundsätzlich auch in identifizierender Weise zulässig ist und Medien nicht auf die Möglichkeit einer anonymisierten Berichterstattung verwiesen werden können.

Der Kläger hatte sich mit der Klage gegen eine kritische Berichterstattung über seine Nebentätigkeit als „Pick-up Artist“ für eine Coaching-Agentur unter Angabe seines Vornamens, des abgekürzten Nachnamens, seines Studentenstatus und der Nennung der Agentur und deren Niederlassung gewandt. Gegenstand des im Kölner Verfahren streitgegenständlichen Artikels war eine vorausgegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 07.01.2016, Aktenzeichen 16 W 63/15), die eine dort streitgegenständliche Berichterstattung über die Tätigkeit des Klägers im einer ASTA-Publikation im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt hatte, obwohl der Kläger für seine Tätigkeit mit einem Foto unter Angabe seines Vornamens auf der Internetseite der Agentur und auf seinem Facebook-Profil wirbt und rund 15 Monate vor seinem Antrag auf dem ARD-Sender „Einsplus“ ein ausführliches Interview zu seiner Tätigkeit gegeben hatte.

Nach dem Landgericht kommt nun auch das Oberlandesgericht Köln im Gegensatz zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu dem Ergebnis, dass die identifizierende Berichterstattung über den Kläger unter Angabe seines Vornamens und seines abgekürzten Nachnamens mit den weiteren Informationen zulässig war. Das Oberlandesgericht stellt ebenso wie das Landgericht fest, dass die Berichterstattung über wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre nur im Falle schwerwiegende Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden dürfe. Soweit der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen trete, wirke er durch sein Verhalten auf andere ein und berühre dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens. In diesem Fall ergebe sich bereits aufgrund des Sozialbezuges eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird. Das OLG Köln verwirft in diesem Zusammenhang ausdrücklich die vom OLG Frankfurt am Main in der genannten Entscheidung geäußerte Ansicht, dass Medien darauf verwiesen werden könnten, dass der Zweck des Beitrags auch durch eine anonymisierte Berichterstattung hätte erreicht werden können. „Allein den Medien obliegt es, nach publizistischen Kriterien über Gegenstand und Inhalt ihrer Berichterstattung zu entscheiden. … In Ansehung dessen darf nicht die Frage aufgeworfen werden, ob auch ohne Identifizierung des Klägers hätte berichtet werden können.“

Im konkreten Fall berücksichtigte das OLG Köln, dass der Kläger sich mit seiner Tätigkeit als „Dating-Coach“ selbst offensiv in die Öffentlichkeit begeben habe. Insofern sei die jetzige Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ein „ widersprüchliches Verhalten des Beklagten“.

Nach diesem Hinweis hat der Kläger die Klage zurückgenommen, so dass das Urteil des Landgerichts Köln vom 20.7.2016 (Aktenzeichen 28 O 67/16) inzwischen rechtskräftig ist.

beschluss_olg_koeln_03.10.2016.pdf (pdf, 335 kB)

Landgericht Köln „Kein Unterlassungsanspruch nach Fernsehinterview“
(LG Köln, Urteil vom 20.7.2016, Aktenzeichen 28 O 67/16 – nicht rechtskräftig)

Anders als das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat das Landgericht Köln mit einem am 20.7.2016 verkündeten Urteil die Klage eines so genannten Pick-up Artists gegen eine identifizierende Berichterstattung abgewiesen. Der Kläger hatte sich mit der Klage gegen eine kritische Berichterstattung über seine Nebentätigkeit als „Pick-up Artist“ für eine Coaching-Agentur unter Angabe seines Vornamens, des abgekürzten Nachnamens, seines Studentenstatus und der Nennung der Agentur und deren Niederlassung gewandt. Gegenstand des im Kölner Verfahren streitgegenständlichen Artikels war eine vorausgegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 07.01.2016, Aktenzeichen 16 W 63/15), die eine dort streitgegenständliche Berichterstattung über die Tätigkeit des Klägers im einer ASTA-Publikation im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt hatte, obwohl der Kläger für seine Tätigkeit mit einem Foto unter Angabe seines Vornamens auf der Internetseite der Agentur und auf seinem Facebook-Profil wirbt und rund 15 Monate vor seinem Antrag auf dem ARD-Sender „Einsplus“ ein ausführliches Interview zu seiner Tätigkeit gegeben hatte. Das Landgericht Köln kommt im Gegensatz zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu dem Ergebnis, dass die identifizierende Berichterstattung über den Kläger unter Angabe seines Vornamens und seines abgekürzten Nachnamens mit den weiteren Informationen zulässig war. Es verneint eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, weil die veröffentlichten Umstände sämtlich seiner Sozialsphäre zuzuordnen sind, in der der Kläger grundsätzlich wahre Berichterstattung hinzunehmen habe. In diesem Bereich komme ein Verbot nur dann in Betracht, wenn die Berichterstattung eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder eine Prangerwirkung befürchten lasse. Diese sei jedoch aufgrund der Berichterstattung nicht zu befürchten und dazu habe der Kläger konkret auch nichts vorgetragen. Vielmehr gehörten „zu den hinzunehmenden Folgen der eigenen Entscheidungen und Verhaltensweisen auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung solcher wahrer Tatsachen ergeben, solange sie sich im Rahmen der üblichen Grenzen seiner Entfaltungschancen halten.“ Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

urteil_lg_koeln_vom_20.07.2016.pdf (pdf, 680 kB)

Landgericht Erfurt: „Auch kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch bei Markennennung“
(Landgericht Erfurt, Urteil vom 17.3.2016, Aktenzeichen 3 O 689/15 - nicht rechtskräftig)

Das Landgericht Erfurt hat dem Versuch eine redaktionelle Markennennung über das Urheberrecht zu unterbinden eine Absage erteilt.
Im konkreten Fall war ein kritischer Textbeitrag in einer Verbraucherzeitschrift über ein Unternehmen mit der Wort-Bildmarke illustriert, unter der der Energieversorger Strom und Gas für Verbraucher anbietet. Markenrechtlich ist dies ein Fall der redaktionellen Markennennung, der mangels markenmäßiger Benutzung zulässig ist. Im konkreten Verfahren war die Klägerin gegen die Abbildung ihrer Wortbildmarke urheberrechtlich mit dem Argument vorgegangen, dass diese auch urheberrechtlich geschützt sei und es an einem urheberrechtlichen Rechtfertigungsgrund für die Abbildung ihres Logos fehle. Insbesondere setze sich der begleitende Text nicht inhaltlich mit der Gestaltung des Logos auseinander, so dass die Abbildung auch nicht durch das Zitatrecht gemäß § 51 Urhebergesetz gedeckt sei.
Dies sah das Landgericht Erfurt anders. Zwar bejahte es die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Markengestaltung. Jedoch sah es in der konkreten Form der Nutzung des Logos durch die Beklagte ein zulässiges Bildzitat gemäß § 51 Nr.2 Urhebergesetz. Wörtlich heißt es dazu in der Entscheidung:
„Die Beklagte hat das streitgegenständliche Logo in ein selbstständiges, nach § 2 Abs. 1 Nr.1 Urhebergesetz seinerseits urheberrechtsschutzfähiges Sprachwerk aufgenommen. Dieses Sprachwerk zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm eine kritische Auseinandersetzung mit der Klägerin erfolgt. Das Bildzitat kann auch hinweggedacht werden, ohne dass das Sprachwerk der Beklagten dadurch seine Selbstständigkeit und seine Verständlichkeit verlöre. Die Wiedergabe des Logos dient deshalb nicht dem Zweck, der Beklagten eigene Mühen zu ersparen. Vielmehr erfüllt das Bildzitat die Funktion eines Beleges im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung und beschränkt sich auf den für diesen Zweck erforderlichen Umfang. Das streitgegenständliche Logo erscheint mithin als Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Zitierenden. Es ermöglicht dem Leser der Zeitschrift der Beklagten, einen Bezug zur Klägerin herzustellen, um nachvollziehen zu können, über wen (kritisch) berichtet wird.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Oberlandesgericht Hamburg: „Schlagzeile nicht isoliert auszulegen“
(Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 23.6.2015, Az. 7U 73/12 - nicht rechtskräftig)

Das Oberlandesgericht Hamburg hat sich in dieser Entscheidung zu den Grundsätzen der Auslegung von Schlagzeilen geäußert. Gegenstand der Entscheidung war eine Veröffentlichung in einer Wirtschaftszeitung und deren Online-Ausgabe unter der Überschrift „Razzia bei XY“. In den Zwischenüberschriften der Beiträge hieß es „Vermögensberatung gerät durch Steuer-CD unter Verdacht. Behörden prüfen weitere Ankäufe“ bzw. unter anderem „Ein Tochterunternehmen von XY wurde durchsucht.“ Der Kläger war der Auffassung, dass die Überschrift „Razzia bei XY“ isoliert auszulegen sei, da sie einen eigenständigen Aussagegehalt aufweise und unabhängig vom Rest der Berichterstattung wahrgenommen werde.

Dem war bereits die erste Instanz (Landgericht Hamburg, Aktenzeichen 324 O 636/11) nicht gefolgt. Das Oberlandesgericht führte dazu nach allgemeinen Hinweisen auf die Berücksichtigung des Zusammenhangs bei der Auslegung von Äußerungen aus:

“Dieser Grundsatz gilt auch für Artikelüberschriften, die nicht eine in sich abgeschlossene und aus sich heraus interpretierbare Tatsachenbehauptung enthalten, sondern die – mehr oder weniger plakative – Hinlenkung des Leserinteresses auf die im folgenden Text zu lesende Detaildarstellung; derartige Überschriften können daher nicht als selbstständige und damit auch rechtlich selbstständig zu wertende Sachaussagen angesehen werden. Im Interesse der Pressefreiheit ist die erhebliche Bedeutung herkömmlicher Artikelüberschriften für eine gegliederte und dadurch lesbare Aufmachung eines Printmediums zu berücksichtigen. Diesen Überschriften kann daher nicht generell die Funktion aus sich selbst heraus verständlicher Tatsachenbehauptungen oder einer unverkürzten Wiedergabe der Gesamtdarstellung zugewiesen werden; zumal wenn zwischen die Artikelüberschrift und den eigentlichen redaktionellen Text eine besonders hervorgehobene kurze Zusammenfassung gesetzt ist, darf die Überschrift nicht ohne Einbeziehung dieses ihr unmittelbar nachgeordneten Textes gewertet werden. Etwas anderes gilt dann, wenn eine Schlagzeile auf dem Titelblatt einer Tageszeitung oder Zeitschrift als eigenständige Tatsachenbehauptung wirkt. … Ausnahmen von dem grundsätzlichen Gebot der Textinterpretation aus dem Kontext mögen auch in Sonderfällen geboten sein, in denen etwa die Überschrift im Widerspruch zum Inhalt des Artikels steht oder keinen inhaltlichen Bezug dazu hat oder in anderer Weise eine konkrete in sich abgeschlossene Aussage mitteilt. Für die hier zu beurteilenden Artikelüberschriften im Innenteil der Printausgabe und in der Online-Ausgabe trifft dies hingegen nicht zu und es kann der äußerungsrechtlichen Deutung nicht zu Grunde gelegt werden, dass sie isoliert wahrgenommen werden. Denn die Überschriften enthalten auch ihrem Wortlaut nach nicht die in sich abgeschlossene Behauptung, in den Privaträumen des Klägers habe eine Razzia stattgefunden. Der verständige durchschnittliche Leser erfährt nämlich aus der Überschrift nicht, welche Räumlichkeiten konkret durchsucht worden sind, sondern liest nur, dass der Kläger von einer Razzia betroffen ist. An welchem Ort, im Privathaus oder in den Räumen eines ihm zuzurechnenden Unternehmens, die Durchsuchung stattgefunden hat, bleibt offen. Dies ergibt sich jedoch eindeutig aus den Unterüberschriften bzw. dem Zwischentext zwischen den Überschriften und dem Fließtext.“

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Landgericht Köln: Keine Haftung für Snippets
(Landgericht Köln, Beschluss vom 26.11.2014, Az. 28 O3 147/14 - rechtskräftig)

Das Landgericht Köln hatte sich aus Anlass eines Ordnungsmittelantrages mit der Haftung einer Schuldnerin für den Text von Snippets auseinanderzusetzen, die von Suchmaschinen wie „Google“ als Suchergebnisse angezeigt werden. Das Landgericht Köln lehnte eine Haftung des Anbieters der Internetseite für den von Google generierten Text im Suchergebnis ab. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:

„Darüber hinaus fehlt es auch materiell an einer der Schuldnerin zurechenbaren Rechtsverletzung. Die Snipptes in den Trefferlisten der Suchmaschinen sind nicht von der Antragsgegnerin erstellt. Diese kann nicht verhindern, dass Dritte auf ihre Seite zugreifen bzw. zugegriffen haben und die Mitteilung zusammenfassen. Sie hat dies nicht veranlasst und auch keine rechtlichen und tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Suchmaschinenbetreiber. Die Antragsgegnerin hierfür haften zu lassen, würde die Pflichten eines Presseorgans im Lichte von Art. 5 GG überspannen. Hier liegt auch der Unterschied zu der zitierten Entscheidung BGH vom 13.11.2013, I ZR 77/12, in der es zum einen um den eigenen Firmennamen ging und zum anderen um eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit, bei der Art. 5 GG kein Abwägungsmaßstab war. Vorliegend ist überdies zu berücksichtigen, dass der Zugriff der Suchmaschinen und die Bildung des Snipptes zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Ausgangsmitteilung der Antragsgegnerin rechtmäßig erfolgte.“

Gegendarstellung gegen Nebensächlichkeiten? - Kein Anspruch, Keine Kostenerstattung!
(BGH, Urt. v. 27.05.2014, VI ZR 153/13)

Im Zuge eines Schadensersatzbegehrens hatte der BGH erneut über Rechtsverfolgungskosten für presserechtliche Abmahnschreiben zu befinden. Diesmal ging es um Anwaltskosten, die durch die Aufforderung zum Abdruck einer Gegendarstellung entstanden waren. Der Senat hielt fest: Richtet sich das Gegendarstellungsbegehren nicht gegen den Kernvorwurf einer Meldung, sondern nur gegen “Kollateralgeschehen”, besteht kein Anspruch auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten.

Zum Sachverhalt: Ein Medium hatte darüber berichtet, dass die Klägerin ein Interview nachträglich hatte stoppen lassen. Dies sei, so das Medium, nicht ohne Pikanterie, denn die Zeitung, deren Chefredakteurin die Klägerin war, habe sich in der Vergangenheit selbst gegen Autorisierungswahn bei Presseinterviews gewandt. Weiter zitiert das Medium die Interview-Autoren mit der Äußerung, die Klägerin habe das Interview zunächst sogar gelobt, erst später seien Probleme aufgetaucht. Die Klägerin verlangte eine Gegendarstellung: Sie habe – zeitlich umgekehrt – zuerst die Autorisierung verweigert und erst dann die Transkription gelobt.

Schon das Berufungsgericht hatte die Rechtsverfolgungskosten für das Gegendarstellungsbegehren abgelehnt, allerdings mit der Begründung, dass kein “ersatzfähiger Schaden” vorliege: Es sah den konkreten Gegendarstellungstext als nicht abdruckfähig an, weil er über eine bloße Erwiderung auf die Erstmitteilung hinausgegangen sei.

Nach Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht urteilte der BGH sogar noch strenger: Der VI. Zivilsenat verneinte nicht nur den “ersatzfähigen Schaden”, sondern bereits die für den Schadensersatzanspruch erforderliche Rechtsverletzung: Für den Freistellungsanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, so der BGH, fehle es bereits am erforderlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Im Kontext der Erstmitteilung sei ein Eingriff in den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin nicht zu erkennen: Der “eigentliche Vorwurf” der Erstmitteilung, so der Senat, habe im Gesamtkontext nicht auf dem Aspekt gelegen, den die Gegendarstellung thematisiert, sondern auf einem ganz anderen Aspekt. Der Aussagegehalt hingegen, den die Klägerin angegriffen hatte und zur Gegendarstellung bringen wollte, trat aus Sicht des Senats “im Gesamtzusammenhang des Artikels völlig in den Hintergrund.”

Urteil des BGH (pdf, 612 kB)

Landgericht Frankfurt am Main: Keine Verbandsklagebefugnis im Presserecht
(Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 8.5.2014, Aktenzeichen 2-03 O 500/13, rechtskräftig)

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit einem inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 8.5.2014 Bestrebungen für eine Verbandsklagebefugnis im Presserecht eine Absage erteilt:

Die Klage des Verbandes der Wasserspender-Aufsteller richtete sich gegen eine Berichterstattung des Hessischen Rundfunks, die sich kritisch mit möglichen Gesundheitsgefahren bei Wasserspendern auseinandersetzte, ohne dass einzelne Unternehmen, oder der Verband in der Berichterstattung erkennbar waren. Der Kläger verlangte das Verbot von Teilen der Berichterstattung sowohl aus eigenem Recht, als auch hilfsweise im Wege der Prozessstandschaft für zwölf seiner Mitgliedsunternehmen. Die Satzung des Klägers enthielt eine Regelung, die ihn auch zur Prozessführung im Interesse seiner Mitglieder ermächtigte.

Das Landgericht hielt zunächst den Unterlassungsanspruch aus eigenem Recht mangels Betroffenheit für unbegründet und führte dazu u.a. Aus:

„Eine Klagebefugnis eines Branchenverbandes wegen kritischer Äußerungen über die von ihm repräsentierte Branche kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die beanstandeten Äußerungen ihn selbst in seinem Ruf oder in seinem Funktionsbereich beeinträchtigen. Dass die fragliche Branche durch die Äußerungen insgesamt diskreditiert wird, reicht für ein eigenes Betroffensein des Verbandes dagegen nicht aus. … Die Kammer verkennt nicht, dass negative Berichterstattung über eine bestimmte Warengattung unter Umständen auch auf einen Verband ausstrahlt, der die Interessen der Anbieter dieser Waren vertritt. Dabei handelt es sich aber gerade nicht um eine unmittelbare Betroffenheit des Verbandes, sondern vielmehr um eine reflexhafte Wirkung, die erst durch Assoziation entsteht. Ein unbefangener Leser wird jedoch in der Lage sein, zwischen dem im Artikel klimatisierten Produkt, der Branche als solcher und dem klägerischen Verband zu differenzieren. … Wenn weder die Angehörigen der jeweiligen Branche, noch der Verband selbst unmittelbar betroffen sind, besteht kein gesetzlich geschütztes Interesse an der Unterlassung unwahrer Behauptungen. Eine Verbandsklagebefugnis als Ausdruck einer im öffentlichen Interesse verliehenen allgemeinen Aufgreiftzuständigkeit hat der Gesetzgeber im Äußerungsrecht nicht vorgesehen. Wo eine solche Befugnis ausnahmsweise existiert, ist sie ausdrücklich gesetzlich geregelt.“

Insoweit befindet sich das Landgericht Frankfurt am Main in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts, das zu einem vergleichbaren Fall ausgeführt hatte:

„Denn da heute fast jede Personengruppe, die gemeinsame Interessen oder eine gemeinsame Aktivitätsart verbindet, in Vereinen oder Verbänden organisiert ist, die ihrerseits auf Bundesebene über jeweils einen Bundesverband verfügen, wäre bei der kritischen Berichterstattung über Personen, die lediglich durch ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe dieser Art gekennzeichnet werden, stets eine Betroffenheit des entsprechenden Dachverbandes gegeben. Wenn aber die Verfasser massenmedlial verbreiteter Meldungen befürchten müssten, auch bei sorgfältig anonymisierten Berichterstattungen mit Ansprüchen konfrontiert zu werden, deren Abwehr nicht selten erheblichen Zeit-und Kostenaufwand erfordert, wäre damit ein nicht unerheblicher Einschüchterungseffekt für die massenmediale Berichterstattung verbunden, der mit der grundrechtlich gebotenen Berichterstattungsfreiheit nicht vereinbar wäre (Hanseatisches Oberlandesgericht vom 21.10.2008, Aktenzeichen 7 U 51/08).

Auch den in Prozessstandschaft geltend gemachten Unterlassungsanspruch wies das Landgericht Frankfurt am Main ab. Mangels Erkennbarkeit einzelner Unternehmen sei keine individuelle Betroffenheit der vertretenen Unternehmen gegeben. Wenn ein Erzeugnis lediglich der Gattung nach kritisiert werde, werde der individuelle Hersteller eines entsprechenden Erzeugnisses nur dann erkennbar, wenn er auf dem betroffenen Markt eine Position einnehmen, die bewirkt, dass die Kritik zwangsläufig auf seine Produkte bezogen wird. Das sei im Markt der Wasserspender nicht der Fall.

Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (pdf, 417 kB)

Pressrechtlicher Auskunftsanspruchs gegen die Kfz-Zulassungsbehörde
(Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss v. 12.02.2014 - Az. 10 ME 102/13;
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Oldenburg, Beschluss v. 19.12.2013 - Az. 5 B 6969/13)

Mit dieser im einstweiligen Anordnungsverfahrenen ergangenen Entscheidung hat das Niedersächsische OVG einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber der Kfz-Zulassungsbehörde eines Landkreises bejaht. Den Anspruch hatten ein Verlag und eine Journalistin gemeinsam geltend gemacht. Sie beanspruchten Auskunft über den Namen des Halters eines Fahrzeuges. Die Antragstellerinnen vermuteten, dass das Fahrzeug in Verbindung zu einer Person stand, die zum Zeitpunkt der begehrten Auskunft in einem laufenden Strafverfahren u.a. wegen Betruges angeklagt war.

Das OVG entschied zunächst, dass der Landkreis eine auskunftspflichtige Behörde nach § 4 NPresseG ist. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er im Bereich Kraftfahrzeugwesen Verwaltungstätigkeit nach Bundesrecht ausübe und ein Auskunftsanspruch nach § 37 StVG nicht normiert ist. Auch nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung des BVerwG zum Auskunftsanspruch der Presse gegen Bundesbehörden (Urteil vom 20. Februar 2013, Az. 6 A 2/12) sei § 4 NPresseG verfassungsrechtlich nicht so auszulegen, dass Landesbehörden Auskünfte über eine der Regelungskompetenz des Bundes unterliegende Materie generell nicht erteilen dürfen.

Anders als die Vorinstanz bejaht der Senat dann ein gesteigertes öffentliches Interesse der Öffentlichkeit an der Halterauskunft. Da dem Angeklagten u.a. Betrug vorgeworfen werde und weil er etliche Anleger finanziell in erheblichem Ausmaß geschädigt haben soll, komme der Frage, ob der hochpreisige Sportwagen dem wirtschaftlichen Vermögen des Angeklagten zuzuordnen ist, ein besonderes öffentliches Interesse zu. Die wirtschaftliche Zuordnung des bei Prozessbeginn in der Nähe des Gerichts geparkten Fahrzeuges betreffe auch kein bloßes Randgeschehen – wovon die Vorinstanz ausging – sondern stehe aufgrund des dem Angeklagten vorgeworfenen Vermögensdelikts und des Prozessbeginns in einem engen räumlichen und sachlichen Zusammenhang zu dem Strafverfahren.

Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass der Landkreis nicht berechtigt ist, die Auskunft wegen überwiegender öffentlicher oder schutzwürdiger privater Interessen zu verweigern. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung würden hinter dem in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten presserechtlichen Auskunftsanspruch zurücktreten.

Die begehrte Auskunft betreffe eine wahre Tatsache aus der Sozialsphäre, bei deren Verbreitung eine unzulässige Anprangerung oder Stigmatisierung nicht zu erwarten sei. Ebenso wenig sei eine nennenswerte Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bei Erteilung der Auskunft vorhersehbar. Der Senat berücksichtigt hier, dass der Name des Halters nur dann Gegenstand der Berichterstattung werden würde, wenn er wirtschaftlich in Verbindung mit dem Angeklagten gebracht werden könne. Es bestünde sonst kein Öffentlichkeitsinteresse. Außerdem sei der Halter des streitgegenständlichen Fahrzeugs für das Informationsinteresse jedenfalls (mit-) verantwortlich. Er hätte demjenigen, der den Wagen zu dem Prozess gefahren hatte, die (faktische) Erlaubnis eingeräumt, mit einem im Straßenbild recht seltenen und teuren Sportwagen zum Prozessauftakt zu fahren. Der Halter habe damit rechnen müssen, dass der von dem Dritten gefahrene und in räumlicher Nähe zu dem Gericht geparkte Wagen mit dem Prozessgeschehen in Verbindung gesetzt werde und aufgrund des Tatvorwurfs ein besonderes öffentliches Interesse an dem Halter des Fahrzeugs begründet.

Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 12.02.2014, Az. 10 ME 102/13 (pdf, 547 kB)

Landgericht Köln: "Untauglich" ist eine zulässige Meinungsäußerung
(Landgericht Köln vom 11.12.2013, Aktenzeichen 28 O 252/13)

Das Landgericht Köln sieht in der Überschrift “Bundeswehr kaufte Tausende untaugliche Waffen” eine zulässige Meinungsäußerung, wenn diese in dem folgenden Artikel auf die unstreitige Feststellung gestützt werden kann, dass das Sturmgewehr G 36 “nach 150 Schuss Schnellfeuer nicht mehr zu Präzisionsbeschluss in 200 Meter Entfernung in der Lage ist”. Hier zeichnet sich eine neue Grundsatzentscheidung zu Meinungsfreiheit ab, da das Oberlandesgericht Köln im vorausgegangenen Verfügungsverfahren noch die Auffassung vertreten hatte, die beanstandete Äußerung sei unzulässig, weil sie auch so verstanden werden könne, dass die von der Klägerin gelieferten Gewehre mangelhaft im Sinne des § 434 BGB seien. Das war unstreitig nicht der Fall, weil die Beschaffungsvorgaben der Bundeswehr erfüllt worden waren. Das Landgericht widersprach im Hauptsacheverfahren dem Oberlandesgericht unter anderem unter Hinweis darauf, dass dessen Auslegungsvariante schon deshalb für ein Verbot nicht ausreiche, weil die so genannte Stolpe-Rechtsprechung auf verdeckte Behauptungen keine Anwendung finde. In Bestätigung seiner entsprechenden Rechtsprechung, die nach den Landgerichten in Hamburg und Köln erst kürzlich vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 16.10.2013, Aktenzeichen I-15 O 130/13; Quelle: www.damm-mann.de) übernommen worden war, müsse die vom Oberlandesgericht in seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Auslegung unabweislich sein, was hier nicht der Fall sei.

Die Entscheidung des Landgerichts ist auch deshalb von Bedeutung, weil die Beschaffung des Sturmgewehrs G 36 durch die Bundeswehr nach wie vor politisch in der Diskussion ist, da es sowohl kritische Einsatzberichte von Soldaten in Afghanistan gibt, als auch entsprechende Prüfungsergebnisse der Rüstungsabteilung des Bundesverteidigungsministeriums. In beiden Fällen wird unabhängig von den Vorgaben des Beschaffungswesens der Bundeswehr kritisiert, dass sich die Waffe im Einsatz zu schnell erhitzt und dann an Treffergenauigkeit verliert. Ob die Waffe deshalb von der Presse als “untauglich” für die Bundeswehr bezeichnet werden kann, wird nun weiter im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Bis zur Rechtskraft eines Urteils im Klageverfahren bleibt das vom Oberlandesgericht in Verfügungsverfahren ausgesprochene Verbot wirksam. Beide Seiten haben im Verfahren angekündigt, den Rechtsweg ausschöpfen zu wollen.

Urteil des LG Köln vom 11.12.2013, Az. 28 O 252/13 (pdf, 888 kB)

Keine Kostenerstattung für missglückte Gegendarstellung
(Kammergericht, Urt. v. 21.11.2013, 10 U 69/13)

Werden presserechtliche Ansprüche geltend gemacht, so können dadurch entstandene Anwaltskosten grundsätzlich als Schadensersatz erstattungsfähig sein (Rechtsverfolgungskosten). Dies gilt allerdings nicht, wenn der konkret angemeldete Anspruch nicht entstanden ist.

Dies klingt an sich wie eine Selbstverständlichkeit. Für die Kostenerstattung in Gegendarstellungssachen haben jedoch selbst Gerichte immer wieder die Auffassung vertreten, dass Anwaltskosten auch für “verunglückte” Gegendarstellungsbegehren erstattungsfähig sind, solange nur die “Gegendarstellungs-Lage” vorlag (Tatsachenmitteilung in einem periodischen Druckerzeugnis; Betroffenheit des Anspruchstellers).

Dieser Ansicht hat das Kammergericht mit Urteil vom 21.11.2013 nun klar widersprochen. Es hält fest: “Für die Frage, ob Kosten für die Aufforderung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen zu erstatten sind, ist lediglich darauf abzustellen, ob das Gegendarstellungsbegehren in der gewählten Form korrekt gefasst war. Auf die Überlegungen, ob ein Gegendarstellungsbegehren durch die konkrete Berichterstattung veranlasst war und wie dieses ggf. nach Hinweis des zuständigen Gerichts anders gefasst worden wäre, kommt es nicht an.”

Im konkreten Fall scheiterte die Veröffentlichungsfähigkeit u.a. daran, dass in dem Gegendarstellungstext nicht auf die Erstmitteilung erwidert wurde. Ferner erweckte die Erstmitteilung aus Sicht des Senats nicht den in der Gegendarstellung bezeichneten Eindruck. Einen weiteren Gegendarstellungstext hielt der Senat in der Formulierung für irreführend. Für sämtliche Gegendarstellungsbegehren hat der Senat daher einen Anspruch auf Erstattung der anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten abgelehnt und in der Sache das Landgericht Berlin als Vorinstanz bestätigt.

Urteil des Kammergerichts (pdf, 435 kB)

OLG Frankfurt a.M.: Nur eine Gegendarstellung bei mehreren Betroffenen
(OLG Frankfurt a.M. vom 05.11.2013, AZ 16 W 60/13)

In Literatur und Rechtsprechung ist teilweise umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen mehrere Betroffene jeweils einen eigenen Gegendarstellungsanspruch geltend machen können, mit der Folge, dass etwa auf der Titelseite einer Zeitung oder Zeitschrift gleich mehrere Gegendarstellungen veröffentlicht werden müssten. Das OLG Frankfurt a.M. hat nun (ebenso wie die Vorinstanz) für den Fall einer Chefredakteurin einer überregionalen Tageszeitung und den Verlag entschieden, dass diese einen etwaigen Gegendarstellungsanspruch nur gemeinsam geltend machen können. Wörtlich heißt es in dem Beschwerdebeschluss: “So können die Antragstellerinnen bereits nicht jeweils isoliert Gegendarstellungsverlangen geltend machen, da für ein jeweiliges isoliertes Gegendarstellungsverlangen ein berechtigtes Interesse fehlt. Zwar ist grundsätzlich bei einer Mehrzahl von Betroffenen jeder berechtigt, mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen, jedoch gilt dies dann nicht, wenn bei gleicher Interessenwahrung inhaltsgleich weitere Gegendarstellungen verlangt werden, ohne dass ein persönlich individuelles Interesse erkennbar ist. Ein solches Vorgehen würde nämlich zu einer unbilligen Belastung der Presse führen, ohne dass dies einen sinnvollen zusätzlichen Rechtsschutz für den Betroffenen bedeuten würde. Sinn des Gegendarstellungsrechtes ist es aber nicht. die Presse zum Abdruck inhaltsgleicher Darstellungen zu zwingen, vielmehr können sich die Betroffenen zu einer gemeinsamen Gegendarstellung zusammenschließen, sofern die gegen sie gerichteten Angriffe in einem unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.”

Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 05.11.2013, AZ 16 W 60/13 (pdf, 459 kB)

OLG Düsseldorf: Keine Anwendung der Stolpe-Rechtsprechung bei verdeckten Behauptungen
(OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.10.2013, Aktenzeichen I-15 O 130/13)

Nach den Landgerichten in Hamburg (AfP 2011, 394, 395) und Köln (AfP 2012, 185, 187) hat sich nun auch das Oberlandesgericht Düsseldorf als erstes Obergericht ausdrücklich der Auffassung angeschlossen, dass die so genannte Stolpe-Rechtsprechung, nicht auf verdeckte Behauptungen anzuwenden ist. Nach der Stolpe-Rechtsprechung ist bei Unterlassungsansprüchen gegen mehrdeutige Äußerungen jeweils die Auslegungsvarianten zugrundezulegen, die den Betroffenen in seinem Persönlichkeitsrecht (mehr) beeinträchtigt. Dies führt in der Praxis im Zweifel zum Erfolg des Unterlassungsanspruchs.

Bei verdeckten Behauptungen, also angeblichen Eindrücken, die bei einem Text „zwischen den Zeilen“ entstehen können bzw. sollen, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung im Besonderen: Jeder auch nur nicht fernliegende Eindruck kann dann einen Unterlassungsanspruch auslösen, obwohl der Äußernde an diesen Deutungsgehalt überhaupt nicht gedacht hat. Zur Frage, wann bei angeblichen verdeckten Behauptungen der mögliche Eindruck äußerungsrechtlich überhaupt zu berücksichtigen ist, führt das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 2013 aus:

“Dieses Vorgehen (d.h. die Anwendung der Stolpe-Rechtsprechung) ist nur bei solchen Äußerungen verfassungsrechtlich geboten, die von dem maßgeblichen Publikum überhaupt als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werden und insoweit dann aber mehrdeutig sind. … Mit der Beurteilung von nur verdeckt “zwischen den Zeilen” zum Ausdruck gebrachten Aussagen befasst sich die “Stolpe”-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hingegen nicht, sondern bezieht sich auf eine offene Tatsachenbehauptung, die ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum als mehrdeutig wahrnimmt.Nach der herkömmlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der er auch nach der “Stolpe”-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 2005 festgehalten hat, ist bei ‚verdeckten‘ Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll und der erst eigentlich ‚verdeckten‘ Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die ‚verdeckte‘ Aussage einer ‚offenen‘ Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm ‚offen‘ mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. BGH NJW 2006, 601,603).

Der Senat folgt auch unter Zugrundelegung der ‚Stolpe‘-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die sich nur mit offenen, aber mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen befasst, weiterhin der vorstehend dargestellten, vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine ‚zwischen den Zeilen‘ verdeckt aufgestellte Aussage im Interesse der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungs-und Pressefreiheit nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen ist, nämlich nur dann, wenn sie sich dem Leser als unabweisbare Schlussfolgerung aus dem Zusammenspiel der offen getätigten Aussagen aufdrängt (ebenso Landgericht Hamburg, AfP 2011, 394,396, Kammergericht Berlin, Urteil vom 12.4.2012, Aktenzeichen 10 U 127/11 – juris, Rn. 9; letzteres ohne unmittelbare Auseinandersetzung mit der ‚Stolpe‘-Entscheidung).”

Diese Entscheidung des OLG Düsseldorf bestätigt damit die Tendenz in der Instanzrechtsprechung den Anwendungsbereich der Stolpe-Rechtsprechung grundrechtskonform einzuschränken. Die Unanwendbarkeit der Stolpe-Rechtsprechung auf verdeckte Behauptungen hat dann allerdings auch zur Folge, dass konsequenterweise nicht die Möglichkeit der Klarstellung besteht. Wenn sich eine verdeckte Aussage als Ergebnis der dargestellten Auslegungsgrundsätzen für die Durchschnittsleser zwingend aufdrängt, fehlt es bereits an der dafür erforderlichen Mehrdeutigkeit.

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 2013, Aktenzeichen I-15 U 130/13 (pdf, 658 kB)

BGH: Verdachtsberichterstattung im Online-Archiv zulässig – Über nachträgliche Änderungen kann durch Ergänzungsmeldung informiert werden
(BGH, Urteil vom 30.11.2012, VI ZR 4/12)

Der BGH hat entschieden, dass im Online-Archiv grundsätzlich auch Verdachtsberichterstattungen dauerhaft abrufbar gehalten werden dürfen. Danach genügt es, wenn nachträgliche Änderungen des Sachverhalts in der Online-Meldung als Nachtrag eingefügt werden. Das OLG Hamburg hatte als Vorinstanz noch einen Unterlassungsanspruch des Betroffenen bejaht, da das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren einige Zeit nach der Berichterstattung gemäß § 153 a StPO gegen Auflagen eingestellt wurde.

Zum Sachverhalt: Das Ermittlungsverfahren, über das in der Archivmeldung berichtet wurde, betraf den Vorwurf einer falschen Versicherung an Eides Statt und damit den Bereich (nur) mittlerer Kriminalität. Der Betroffene stand als Gazprom-Manager jedoch in herausgehobener Position. Zudem betraf die eidesstattliche Versicherung seine eigene Stasi-Vergangenheit.

Der BGH sah in einer dreistufigen Rechtmäßigkeitsprüfung ein deutliches Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses gegenüber dem Anonymitätsinteresse des Betroffenen:

Die ursprüngliche Berichterstattung beurteilt er als wahrheitsgemäß und sachlich ausgewogen und bescheinigte aufgrund der besonderen Tatumstände die Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren.

Durch die spätere Einstellung des Strafverfahrens (2008) sei die Berichterstattung auch nicht nachträglich rechtswidrig geworden: Den veränderten Umständen konnte durch einen entsprechenden Nachtrag Rechnung getragen werden. Zur Unschuldsvermutung hält der Senat fest, dass der Kläger infolge der Einstellung nach § 153 a StPO nicht wie ein Freigesprochener zu behandeln sei. Auch habe die Ursprungsmeldung allein wegen der Einstellung noch nicht an Aktualität verloren, weil das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht deckungsgleich sei mit dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung.

Auch zum heutigen Zeitpunkt – zwei Jahre nach der Einstellung – sieht der BGH in der Güterabwägung noch keine überwiegenden Persönlichkeitsinteressen. Die Persönlichkeitsbeeinträchtigung sei aufgrund der geringen Breitenwirkung des Online-Archivs nicht schwerwiegend, das Informationsinteresse demgegenüber bedeutend: Die Öffentlichkeit habe ein gewichtiges Interesse, sich durch eine aktive Suche nach der Meldung über die dargestellten Vorgänge selbst zu informieren.

Urteil des BGH (pdf, 6 MB)

Erneute Berichterstattung über lang zurückliegende Straftat – kein Unterlassungsanspruch des sicherungsverwahrten Mörders
(LG Hamburg, Urteil vom 9.11.2012, 324 O 112/12)

Das Landgericht Hamburg hatte über die Unterlassungsklage eines Straftäters zu befinden, der 1996 wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Im Strafurteil wurde seinerzeit die besondere Schwere der Schuld festgestellt und Sicherungsverwahrung angeordnet.

Der Straftäter, der als „Säuremörder“ bekannt wurde, wandte sich nun im Wege der Unterlassungsklage gegen die erneute Berichterstattung über die zurückliegenden Taten. Er rügte, dass im angegriffenen Beitrag (2012) sein Name genannt und ein Portraitfoto aus dem Jahr 1995 beigefügt war.

Das Landgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen. In der Abwägung räumte es dem öffentlichen Informationsinteresse den Vorrang vor dem Anonymitätsinteresse des Klägers ein. Im Hinblick auf die Lebach-Rechtsprechung des BVerfG hob das Landgericht insbesondere hervor, dass mit der Berichterstattung keine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung verbunden sei: Infolge der Sicherungsverwahrung sei die Gefährdung seines Resozialisierungsinteresses derzeit außerordentlich gering, denn mit einer zeitnahen Entlassung des Klägers könne nicht gerechnet werden. Auch die Beeinträchtigung durch das Foto stufte das Landgericht als gering ein, weil es aus der Zeit des damaligen Strafverfahrens stammte.

Urteil (pdf, 3 MB)

OLG Köln zu Berichterstattung über rechtwidrige Inhalte anderer Medien
(OLG Köln 15 U 157/11)

Wer sich ernsthaft mit rechtswidrigen Äußerungen Dritter auseinandersetzt, darf diese zu Dokumentationszwecken auch wörtlich zitieren.

Im konkreten Fall ging es um einen Beitrag im Online-Angebot der „Frankfurter Rundschau“, der sich kritisch mit der Berichterstattung einer Boulevard-Zeitung zum „Fall Kachelmann“ auseinandersetzte. Die Zeitung hatte während des laufenden Ermittlungsverfahrens aus der Aussage des Wetter-Moderators gegenüber der Polizei zitiert, in der er sich zu intimen Details seines Sexuallebens äußerte. Die Autorin des fr-online-Beitrags kritisierte dies unter Wiedergabe des Original-Zitats, wobei sie sich auf eine ebenfalls zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berichterstattung über Sexualstrafverfahren stützte.

Die Anwälte des inzwischen bekanntermaßen freigesprochenen Moderators hielten jedoch die Wiedergabe des Zitats aus der Ermittlungsakte auch im Rahmen einer kritischen Berichterstattung für unzulässig, weil sie seine Intimsphäre verletze. Dem folgte noch das Landgericht Köln, das die 2011 erlassene einstweilige Verfügung nach Widerspruch durch Urteil bestätigte (LG Köln 28 O 343/11). In der mündlichen Verhandlung über die vom Verlag eingelegte Berufung am 17. Januar 2012 wies der 15. Zivilsenat des OLG Köln jedoch darauf hin, dass der fr-online-Beitrag sich die zitierten Passagen aufgrund seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Berichterstattung der Boulevard-Zeitung nicht zu eigen gemacht habe. Aufgrund der erkennbar kritischen Stellungnahme habe nicht die „reißerische“ Wiederholung der vom Senat als rechtswidrig beurteilten Berichterstattung aus dem Intimleben im Vordergrund gestanden, sondern das Referieren des Gegenstands der Kritik.

Damit folgt der Pressesenat des OLG Köln der Auffassung des OLG München, das bereits für den Fall der Berichterstattung über den Gegenstand einer Unterlassungsverfügung geurteilt hatte, dass die Wiedergabe der verbotenen Aussage in diesem Rahmen zulässig sei, wenn „aus der Sicht des durchschnittlichen Empfängers der wiederholten Äußerung das Darstellen eines Sachverhalts, das Stellung nehmen zu einem Vorgang“ im Vordergrund steht (OLG München AfP 2001, 322 f.).

Nachlesen können wird man die Auffassung des OLG Köln leider nicht: Nach Hinweis auf die Erfolgsaussichten der Berufung nahmen die Anwälte des Moderators den ursprünglichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Ankündigung einer Hauptsacheklage zurück.

Fotojournalisten abgelichtet und auf twitter eingestellt - Veröffentlichung unzulässig!
(LG Köln, Urt. v. 11.01.2012, Az.: 28 O 627/11 und 28 O 628/11)

Das Landgericht Köln hat die Verbreitung von Bildnissen untersagt, die zwei Fotojournalisten bei der Arbeit zeigen. Es hat hierbei die Bedeutung der ungestörten Recherche und Informationsbeschaffung für die Ausübung der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit betont.

Zum Hintergrund: Im Jahr 2011 hat das Strafverfahren gegen einen bekannten Moderator ein intensives Medienecho erfahren. Am Tag der Urteilsverkündung hielten sich zwei Fotojournalisten in seinem Heimatort auf, um die Reaktionen der Bewohner auf den Urteilsspruch einzufangen. Dabei wurden sie unter Protest selbst fotografiert – von der Vermieterin des Moderators.

Der Moderator machte die Fotos prompt im Internetdienst twitter zugänglich. Er kommentierte die Bildnisse der Journalisten mit der Bemerkung „Pack“ und „lichtscheues Gesindel“.

Das Landgericht Köln sah hierin eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Zwar handele es sich um Bildnisse der Zeitgeschichte, denn die Öffentlichkeit habe ein Interesse daran zu erfahren, wie die Berichterstattung über Prominente zustande komme. Der Verbreitung stehe jedoch das überwiegende, berechtigte Interesse der Journalisten entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG): „Die geschützte Informationsbeschaffung würde grundsätzlich eingeschränkt, wenn Journalisten befürchten müssten, bei einer vergleichbaren Recherchearbeit im Bild gezeigt zu werden.“ Daneben stützt die Kammer das Bildnisverbot auf die grob abfälligen Kommentare des Moderators und auf die Tatsache, dass die Journalisten in der Öffentlichkeit unbekannt waren.

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Jetzt auch LG Köln: Keine Anwendung der Stolpe Rechtsprechung bei verdeckten Behauptungen
(LG Köln, Urteil vom 30.11.2011, Az.: 28 O 654/11)

In einem Urteil vom 30.11.2011 hat sich nunmehr auch die Pressekammer des Landgerichts Köln der Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg (vergl. LG Hamburg AFP 2011, 394 f.) angeschlossen, wonach die Grundsätze der sog. Stolpe-Rechtsprechung im Fall von verdeckten Behauptungen keine Anwendung finden. Damit wendet sich das Landgericht Köln gegen eine ältere Entscheidung des eigenen Berufungssenats beim Oberlandesgericht Köln (OLG Köln AfP 2006, 365).

Nach der Stolpe-Rechtsprechung ist bei Unterlassungsansprüchen gegen mehrdeutige Äußerungen jeweils die Auslegungsvariante zugrunde zu legen, die den Betroffenen in seinem Persönlichkeitsrecht (mehr) beeinträchtigt. Dies führt in der Praxis im Zweifel zum Erfolg des Unterlassungsanspruchs.

Bereits das Landgericht Hamburg hatte unter Hinweis auf die „Gen-Milch“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass das Bundesverfassungsgericht daran festgehalten hat, dass verdeckte Äußerungen nur dann angenommen werden dürfen, wenn sie sich dem Leser als unabweisbare Schlussfolgerung aus dem Zusammenspiel der offen getätigten Aussagen aufdrängen. Das Landgericht Köln schließt sich dem ausdrücklich an und führt aus: „Für die Anwendung der sog. Stolpe-Rechtsprechung (BVerfG NJW 2006, 207, 209 – „IM-Sekretär“/Stolpe) ist nur bei Aussagen Raum, die vom maßgeblichen Publikum überhaupt als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werden (BVerfG NJW 2010, 3501, 3502 – „Gen-Milch“). Dies ist jedoch bei zwischen den Zeilen zum Ausdruck kommenden Aussagen nicht anzunehmen, wenn sich die Aussage für den Leser nicht unabweislich aufdrängt (LG Hamburg, Urteil vom 01.10.2010, 324 O 3/10).“

Die Entscheidung ist auch noch unter einem weiteren Aspekt von Interesse: Das Landgericht hatte den beanstandeten Eindruck, also die verdeckte Tatsachenbehauptung, im konkreten Fall bejaht. Obwohl die in entsprechender Anwendung des § 186 StGB beweisbelastete Verfügungsbeklagte die Wahrheit der verdeckten Aussage nicht glaubhaft konnte, kommt das Landgericht in seinem Urteil auf der Grundlage der Wahrnehmung berechtigter Interessen gleichwohl zur Rechtmäßigkeit der Berichterstattung: Die Verfügungsbeklagte habe im vorliegenden Fall ihre journalistische Sorgfaltspflicht eingehalten, insbesondere weil die Verfügungsklägerin selbst durch Pressemitteilungen eine tatsächliche Grundlage für die verdeckte Behauptung geschaffen habe. Im Ergebnis führt das Gericht eine Einzelfallabwägung durch und kommt auf dieser Grundlage zur Rechtmäßigkeit der beanstandeten Berichterstattung.

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Verdachtsberichtserstattung im Online-Archiv
(OLG Hamburg, Urteil vom 29.11.2011, Az.: 7 U 80/11 - nicht rechtskräftig)

Ist im Online-Archiv der Presse ein Altbeitrag über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren abrufbar, so hat der Betroffene einen nachträglichen Anspruch auf Löschung, sobald das Ermittlungsverfahren eingestellt wird. Dies hat das Hans. OLG kürzlich entschieden und die gegenläufige Entscheidung der ersten Instanz abgeändert. Das Hans. OLG hat die Revision ausdrücklich zugelassen.

Folgender Sachverhalt lag zugrunde: Das Medium hatte über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen Finanzmanager berichtet. Das Ermittlungsverfahren betraf den Vorwurf der falschen eidesstattlichen Versicherung wegen unzutreffender Angaben über eine frühere Tätigkeit für das MfS. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein Jahr später gemäß § 153 a StPO nach Zahlung eines Geldbetrages ein. Das Medium ergänzte daraufhin den Online-Beitrag und informierte in Form eines Nachtrags über die Einstellung.

Dies hielt das Berufungsgericht nicht für ausreichend. Der Betroffene einer Verdachtsberichterstattung habe zwar einen Anspruch auf ergänzende Berichterstattung, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt werde. Zum Ausschluss des Unterlassungsanspruchs führe dies jedoch nur bei Printberichten, nicht hingegen bei Onlineberichten, die dauerhaft abrufbar seien. Ergänzend hielt das OLG fest, dass nach der Verfahrenseinstellung im Jahr 2008 jedenfalls im Jahr 2011 kein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit mehr bestehe.

Das Landgericht hatte die Unterlassungsklage in erster Instanz abgewiesen. Es ging nach den Grundsätzen der BGH-Urteile Online-Archiv I – VI davon aus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen wegen der wahrheitsgemäßen Berichterstattung und des hohen öffentlichen Interesses an der Aufarbeitung des Überwachungssystems des MfS zurückzutreten habe.

Urteil des OLG Hamburg, Urteil vom 29.11.2011, Az.: 7 U 80/11 (pdf, 460 kB)

Urteil des LG Hamburg, Urteil vom 12.08.2011, Az.: 324 O 203/11 (pdf, 530 kB)

Kein Löschungsanspruch gegen archivierten Bericht über Insolvenz
(LG Hamburg, Urteil vom 21.10.2011, Az.: 324 O 283/11)

Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem ein Unternehmer aus der Immobilienbranche geltend machte, dass Berichte über die 15 Jahre zurückliegende Insolvenz eines nach ihm benannten Unternehmens nicht mehr über das Online-Archiv einer Fachzeitung abrufbar sein dürften, nachdem das Insolvenzverfahren seit Jahren abgeschlossen sei. Er verwies auch darauf, dass die Archivbeiträge über die Suchmaschine „Google“ unschwer auffindbar seien und ihn deshalb in seinem aktuellen Erwerbsleben beeinträchtigten.

Das Landgericht Hamburg schloss sich dieser Auffassung in seinem Urteil vom 21.10.2011 nicht an: In Anwendung der Grundsätze der Entscheidungen „Online-Archiv I“ bis VI des BGH wies das Gericht die Klage ab. Dabei wies die Kammer darauf hin, dass von der Bereithaltung der Altbeiträge über die Insolvenz des Klägers im Online-Archiv der Fachzeitung auch dann keine Breitenwirkung im Sinne dieser Rechtsprechung ausgehe, wenn die besagten Artikel bei Eingabe des Namens über die Suchmaschine „Google“ zu recherchieren seien. Erschwerend kam vorliegend hinzu, dass es sich bei dem Namen des Klägers um einen relativ häufigen Namen handelte, so dass die Beiträge erst bei Hinzufügung zusätzlicher Angaben auf den ersten Seiten der Suchergebnisse zu finden waren.

Das Gericht stellte weiter darauf ab, dass die ursprüngliche Berichterstattung wahrheitsgemäß und in sachlicher Form über die Insolvenz und ihre Gründe berichtete und dass auch mehrere Jahre nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ein öffentliches Interesse an dieser Berichterstattung bestehe. Wörtlich heißt es dazu in der Entscheidung:

„Dieses Interesse ist auch durch den Zeitablauf nicht völlig verblasst. Denn abgesehen davon, dass der Abschluss des Konkursverfahrens gegen die GmbH erst fünf Jahre zurückliegt und der Kläger weiterhin wirtschaftlich tätig ist, ist auch ein grundsätzliches Interesse der Öffentlichkeit daran, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren, anzuerkennen (vgl. BGH, NJW 2010, 2432, 2435).“

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Kein Verlust des Gegendarstellungsrechts mangels Stellungnahme bei Presseanfrage
(OLG Hamburg, Urteil vom 05.07.2011, Az.: 7 U 41/11)

In einem Urteil vom 05.07.2011 hat der 7. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts klargestellt, dass ein Betroffener auch dann einen Gegendarstellungsanspruch gegen eine Presseveröffentlichung hat, wenn er vor der Veröffentlichung Gelegenheit hatte zu den Behauptungen, die Gegenstand der Gegendarstellung sind, Stellung zu nehmen und davon keinen Gebrauch gemacht hat.

Nach Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts besteht keine Obliegenheit dazu, sich im Vorfeld einer derartigen Veröffentlichung zu Tatsachenbehauptungen zu erklären. Es könne für den Betroffenen eine ganze Reihe von Gründen dafür geben, sich zu Presseanfragen nicht zu äußern. Dies sei „Ausfluss der privaten Lebensauffassung und Lebensgestaltung des Betroffenen über die er keine Rechenschaft zu geben verpflichtet ist und die es verbieten, eine Obliegenheit zur Äußerung gegenüber Presseorganen zu begründen, deren Verletzung mit dem Verlust eines Anspruchs bedroht wäre“.

Ein derartiges Verhalten sei auch nicht widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich, da zwischen der Abgabe einer Stellungnahme vor einer Presseveröffentlichung und einer Gegendarstellung wesentliche Unterschiede bestünden. Während die Gegendarstellung nach den Landespressegesetzen in einer konkreten Form erfolgen müsse, die Neutralität und Aufmerksamkeit für die Gegendarstellung gewährleiste, könne sich der Betroffene bei Abgabe einer Stellungnahme nicht sicher sein, dass dieses so in die Berichtserstattung eingearbeitet werde, dass sie in ihrer Wertigkeit einer Gegendarstellung entspreche.

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Klarstellung nach mehrdeutiger Äußerung II
(LG Hamburg, Beschluss vom 28.12.2010, Az.: 324 O 140/10)

Im Anschluss an ihre Entscheidung vom 22.10.2010 hat die Pressekammer des LG Hamburg ihre Rechtsprechung zur Möglichkeit der Klarstellung nach mehrdeutigen Äußerungen konkretisiert. Gegenstand des Verfahrens war diesmal eine Online-Meldung über die Verurteilung des Betroffenen zum Schadensersatz ohne den Hinweis, dass diese Entscheidung nicht rechtskräftig war. Nach Abmahnung ergänzte der Online-Anbieter seine Meldung unverzüglich um den Hinweis: „Das Urteil ist nicht rechtskräftig“ lehnte jedoch die Abgabe einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung ab. In der mündlichen Verhandlung erklärten die Parteien den Rechtstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.

In dem folgenden Kostenbeschluss bestätigt das LG Hamburg zunächst seine Rechtsprechung, wonach bei mehrdeutigen Äußerungen die Wiederholungsgefahr auch ohne Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung allein auf Grundlage einer Klarstellung entfallen kann (BVerfG NJW 2008, 1654 ff., Rz. 33 und 34). Dafür hielt es in diesem Fall allein den Zusatz für nicht ausreichend. Erst der Hinweis in der Klageerwiderung, wonach sich der Online-Anbieter nicht auch des Rechts berühme, die beanstandete Berichterstattung ohne den Zusatz „Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig“ verbreiten zu dürfen, habe den Anforderungen an eine Klarstellung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt und die Wiederholungsgefahr entfallen lassen.

Dieses zusätzliche Erfordernis für eine Klarstellung ist allerdings der zitierten Entscheidung des BVerfG nicht ohne weiteres zu entnehmen. Allerdings empfiehlt sich für die Praxis bis auf weiteres, bei einer Klarstellung immer zusätzlich gegenüber dem Abmahnenden zu kommunizieren, dass man sich des Rechts auf Verbreitung der ursprünglichen Aussage nicht länger berühmt.

Urteil des LG Hamburg, vom 28.12.2010, Az.: 324 O 140/10 (pdf, 193 kB)

Klarstellung nach mehrdeutiger Äußerung ohne Unterlassungsverpflichtungserklärung
(LG Hamburg, Urteil vom 22.10.2010, Az.: 324 O 100/10)

Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hat mit dieser Entscheidung erstmals die Möglichkeit anerkannt, nach einer offen mehrdeutigen Äußerung auch ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungs-erklärung allein durch Klarstellung die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Hintergrund der Entscheidung war die Berichterstattung in einer Boulevardzeitung, die nach Auffassung der Kammer für den Überschriftenleser möglicherweise den Eindruck erwecken könnte, dass ein staatsanwaltschafliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin mitursächlich dafür gewesen ist, dass ihr früherer Vorgesetzter Selbstmord begangen hat.

Das Landgericht stellt entscheidend auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 19.12.2007 (BVerfG NJW 2008, 1654 ff.) in den Randziffern 33 und 34 ab und führt zum konkreten Fall aus:

“Von der in dieser Entscheidung erwähnten Klarstellungsmöglichkeit hat die Beklagte durch ihr Schreiben vom 13. Oktober 2009 an die Klägerin Gebrauch gemacht und damit die mögliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Beklagten durch eigenes Tun abgewendet. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin ernstlich zum Ausdruck gebracht, dass von ihr weder beabsichtigt war noch beabsichtigt ist, einen Kausalzusammenhang zwischen den in der streitgegenständlichen Passage genannten Ereignissen herzustellen. In der Klagerwiderung hat sie zudem erneut deutlich gemacht, die beanstandete Veröffentlichung ohne klarstellenden Zusatz im Sinne des Schreibens vom 13. Oktober 2009 nicht wieder verbreiten zu wollen.”
Das Landgericht hält damit die noch im vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (Az.: 324 O 595/09) bestätigte Auffassung nicht länger aufrecht, wonach auch im Presserecht eine einmal begründete Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt werden könne.

Ob dies auch zur Konsequenz hat, dass die vorgerichtlichen Abmahnkosten nicht erstattungsfähig sind, ist auf Grundlage dieser Entscheidung offen. Allerdings ist das Landgericht Hamburg schon in seiner bisherigen Rechtsprechung bei mehrdeutigen Aussagen nicht von einer Erstattungspflicht ausgegangen, wenn der äußernde sofort eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte.

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Hamburgisches OVG zur Verweigerung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs durch städteeigene GmbH
(Hamburgisches Oberverwaltungsgericht v. 04.10.2010, 4 Bf 179/09.Z; Vorinstanz: Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil v. 25.02.2009 - 7 K 2428/08)

Das Hamburgische OVG hat in diesem Beschluss klargestellt, dass für die Geltendmachung des presserechtlichen Auskunftsanspruch (hier gem. § 4 Abs.1 HmbPresseG) nicht erforderlich ist, dass die Presse zum konkreten Gegenstand der Anfrage ein aktuelles Berichterstattungsinteresse nachweist.

Gerade der investigative Journalismus sei dadurch gekennzeichnet, dass das konkrete Berichterstattungsinteresse nicht in jedem Fall von vornherein feststehe, sondern sich ggf. erst aus dem Ergebnis einer entsprechenden Recherche – unter Einschluss der Auskünfte öffentlicher Stellen – ergebe. Das Tatbestandsmerkmal “zur Erfüllung ihrer (sc. der Presse) öffentlichen Aufgabe” habe mit Ausnahme von offensichtlichen Missbrauchsfällen oder der Befriedigung bloßer privater Neugier keine praktische Funktion. Insbesondere habe der Auskunftsverpflichtete nicht zu entscheiden, ob der angefragte Vorgang “wichtig genug” sei.

Im konkreten Fall richtete sich das Auskunftsbegehren einer Tageszeitung gegen eine städtische GmbH, die öffentliche Schwimmbäder betreibt. In diesem Zusammenhang hielt das OVG darüber hinaus fest, dass die Geheimhaltungspflicht von Geschäftsführung und Aufsichtsrat gem. § 85 Abs.1 GmbHG keine “Vorschrift über die Geheimhaltung” darstellt, die zur Verweigerung der Auskunft berechtigt (vgl. etwa § 4 Abs.2 Nr. 2 HmbPresseG). Die Vorinstanz hatte dies noch offen gelassen.

“Geheimhaltungsvorschriften” in diesem Sinne liegen danach nur dann vor, wenn diese öffentliche Geheimnisse schützen sollen und auskunftsverpflichtete Behörden zumindest auch zum Gegenstand haben. Auch wenn eine städteeigene GmbH unter den weiten Behördenbegriff der Pressegesetze falle, seien Adressaten des § 85 Abs.1 GmbHG Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Liquidatoren der Gesellschaft. Selbst wenn man insoweit auch einen weiten presserechtlichen Beamtenbegriff zugrunde lege, führe dies nicht zu einer anderen Betrachtung: Auch die Pflicht zur Dienstverschwiegenheit gem. § 37 Abs.1 BeamtStG stellt keine Geheimhaltungsvorschrift im presserechtlichen Sinne dar, weil die Pflicht zur Dienstverschwiegenheit nur den Beamten, nicht aber der Behörde als solcher auferlegt wird.

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BGH: GmbH und Geschäftsführer gegen Verlag, Online-Anbieter und Domaininhaber kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit
(BGH, Urt. v. 27.07.2010, VI ZR 261/09)

Der BGH hat klargestellt, dass presserechtliche Abmahnschreiben wegen derselben Berichterstattung kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit bilden, auch wenn sie separat an verschiedene Unterlassungsschuldner verschickt werden oder für mehrere Unterlassungsgläubiger erfolgen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Aufgrund eines unrichtigen Zeitungsberichts über eine GmbH ließen die GmbH und ihre beiden Geschäftsführer jeweils separate Abmahnschreiben verschicken. Für alle drei war dieselbe Anwaltssozietät tätig. Diese forderte nicht nur den Verlag zur Unterlassung auf, sondern parallel auch die Schwestergesellschaft des Verlages, die den Bericht online verbreitet hatte. Zur Unterlassung wurde schließlich auch die Konzernmutter aufgefordert, die Domaininhaberin der Website war.

Der BGH hält fest, dass es der Annahme derselben kostenrechtlichen Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 RVG) nicht entgegensteht, wenn verschiedene Unterlassungsschuldner mit unterschiedlicher Rechtspersönlichkeit abgemahnt werden. Auch die Beauftragung des Anwalts durch mehrere Mandanten stehe einer einheitlichen kostenrechtlichen Angelegenheit nicht entgegen. Ergänzend hält der BGH fest, dass “eine Angelegenheit” auch dann vorliegen könne, wenn ein zunächst erteilter Auftrag vor seiner Beendigung später ergänzt werde.

In der Praxis bedeutet das Urteil des BGH: Bei mehreren parallelen Abmahnschreiben, die kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit bilden, kann der Anwalt nur einmal und einheitlich abrechnen, nicht jedoch für jedes Abmahnschreiben separat. Die Anwaltsgebühr errechnet sich dann aus dem kumulierten Gegenstandswert der Einzelgegenstände (vgl. § 22 Abs. 1 RVG).

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Gegendarstellungsrecht: Formulierung "stellen wir hiermit richtig" irreführend
(OLG Oldenburg, Urt. v. 23.08.2010, 13 U 23/10)

Das OLG Oldenburg hat in einer Entscheidung vom 23.08.2010 (Az. 13 U 23/10) klargestellt, dass die Formulierung “stellen wir hiermit richtig” in einer Gegendarstellung offensichtlich irreführend ist und kein Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung mit diesem Inhalt besteht.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Bürgermeister einer Kleinstadt einen Gegendarstellungsanspruch wegen einer Veröffentlichung in der ortsansässigen Regionalzeitung geltend machte. Obwohl nicht die von ihm vertretene Gemeinde, sondern er persönlich als Anspruchsteller auftrat, formulierte er in der Gegendarstellung: “Soweit durch diese Behauptung der Eindruck entstanden ist, XY nutze … stellen wir hiermit richtig, …”. Unterzeichnet war die Gegendarstellung mit dem Namen des Bürgermeisters und seiner Amtsbezeichnung.

Das OLG Oldenburg führt in der Begründung seiner Entscheidung aus, dass durch die gewählte Formulierung bei einem unbefangenen Leser die Vorstellung erweckt wird, die Redaktion der Zeitung selbst gebe die Erklärung zur Gegendarstellung ab, weil sie Anlass sah, einen in ihrem Artikel fälschlich entstandenen Eindruck richtig zu stellen. Die Unterzeichung der Gegendarstellung mit Namen und Amtsbezeichnung räume diesen Eindruck nicht vollständig aus, zumindest bleibe ein Widerspruch zwischen Text und Abschluss, der die Erklärung als unklar erscheinen lasse. Im konkreten Fall trete hinzu, dass durch den Zusatz der Amtsbezeichnung und die Verwendung des Plurals der Eindruck entstehen könnte, dass nicht der Bürgermeister als natürliche Person, sondern die Gemeinde die Gegendarstellung geltend gemacht habe.

Das Vorgehen des Landgerichts Oldenburg, das selbstständig die Formulierung in “stelle ich hiermit richtig” geändert hatte, beanstandete das Oberlandesgericht als unzulässig. Es handele sich nicht um einen “grammatikalischen Fehler” im Antrag, den das Gericht von sich aus korrigieren könne. Die Formulierung sei im Kontext grammatikalisch vollkommen korrekt gewesen und kein offensichtliches, durch Auslegung zu berichtigendes Versehen, da der Antragsteller es auch im Laufe des Verfahrens nicht korrigiert habe.

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Keine gesonderte Lizenzentschädigung für elektronische Zweitverwertung im E-Paper
(OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2010 - I-20 U 235/08)

Erstmals hat ein Oberlandesgericht in einem Urteil festgestellt, dass für die elektronische Zweitverwertung von Fotos in der E-Paper-Ausgabe einer Tageszeitung keine gesonderte Lizenzentschädigung zu zahlen ist.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens beanspruchte für die Veröffentlichung von 198 Fotos, die er in den Jahren 2002 bis 2005 ohne gesonderte Vereinbarung für die Veröffentlichung in der Printausgabe der Tageszeitung geliefert hatte, in der E-Paper-Ausgabe eine gesonderte Lizenzentschädigung. Einer elektronischen Zweitverwertung hatte er ausdrücklich widersprochen.

Das Landgericht Düsseldorf hatte dem Kläger in einem Teilurteil dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Urhebergesetz zugesprochen, da es in der E-Paper-Ausgabe nicht nur eine andere Vertriebsform, sondern eine gesonderte Nutzungsart gesehen hatte. In dem folgenden Betragsverfahren, in dem der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage entgangener Lizenzansprüche weiter verfolgte, hatte das Landgericht mit Urteil vom 29.10.2008 auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens einen Teil der Klageforderung zugesprochen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat diese Entscheidung nun abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen. Zur Begründung verweist das Oberlandesgericht darauf, dass bereits das Sachverständigengutachten erster Instanz festgestellt habe, dass Tageszei-tungsverlage für die Nutzung von Fotos neben der Printausgabe in einem E-Paper üblicherweise keine gesonderte Vergütung zahlen. Angesichts der (geringen) wirtschaftlichen Bedeutung der E-Paper-Ausgaben gegenüber der Print-Auflage sei dieses Ergebnis auch „wirtschaftlich angemessen und vernünftig”. Wenn, wie im vorliegenden Fall, bereits für eine Nutzungsart eine Li-zenz gezahlt worden sei und „vernünftige Vertragsparteien eines Lizenzvertrages für eine weitere Nutzungsart keine zusätzliche Vergütung zahlen”, sei ein „nach der Lizenzanalogie zu berechnender Schaden nicht entstanden, weil die angemessene Mehrvergütung der Sache nach 0,00 Euro beträgt.”

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Rechtskräftig: Keine Lizenzentschädigung für redaktionelle Veröffentlichungen
(BGH, Beschlüsse v. 04.02.2010, I ZR 168/08 und I ZR 169/08)

Der I. Zivilsenat des BGH hat mit zwei Beschlüssen vom 04.02.2010 (Az. I ZR 168/08 und I ZR 169/08) die Nichtzulassungsbeschwerde des TV-Moderators Günter Jauch gegen Entscheidungen des OLG Hamburg zurückgewiesen, mit denen Lizenzansprüche Jauchs wegen der Veröffentlichung von redaktionellen Fotos, die ihn nach seiner Hochzeit im Hof der Potsdamer Friedenskirche zeigten, bereits verworfen worden waren. Damit sind die Entscheidungen des OLG Hamburg rechtskräftig.

Die vorinstanzlichen Urteile des LG Hamburg und OLG Hamburg werden auch in einem einem Aufsatz in der aktuellen Ausgabe des “Archivs für Presserecht” (AfP) besprochen (“Vermögensrechtliche Ansprüche bei unzulässiger publizistischer Verwendung von Bildnissen aus der Privatsphäre”, AfP 2010, 1 ff.). Der These der Autoren, wonach im Falle der unerlaubten Nutzung von Bildnissen aus der Privatsphäre im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung Lizenzentgelte zuzuerkennen sind, hat die Rechtsprechung mit den jetzt vom BGH bestätigten Urteilen eine Absage erteilt. Insbesondere das landgerichtliche Urteil führt ausdrücklich aus, dass auch bei rechtswidrigen redaktionellen Veröffentlichungen regelmäßig keine Lizenzentschädigung geltend gemacht werden kann. Der häufig schmale Grad zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Veröffentlichungen würde gerade mit Blick auf den “Marktwert” vieler Prominenter dazu führen, dass die Medien bei vielen Veröffentlichungen mit Blick auf Art. 5 Abs.1 S. 2 GG unzumutbare wirtschaftliche Risiken eingehen müssten. Ein Zahlungsanspruch bestehe grundsätzlich nur bei werbenden Veröffentlichungen, oder in Form der Geldentschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen. Im konkreten Fall hielten beide Instanzen im Übrigen die Veröffentlichung der konkreten Fotos unter dem Gesichtspunkt des § 23 Abs.1 Nr.1 KUG für zulässig.

Foto von Prominentem mit Zeitung - Keine Ansprüche wegen "werblicher Vereinnahmung"
(LG Hamburg, Urt. v. 4.12.2009 - 324 O 338/09)

Das Landgericht Hamburg hatte erneut darüber zu befinden, ob das Bildnis eines Prominenten für werbliche Zwecke genutzt wurde. Streitgegenstand war ein Paparazzi-Foto, das Gunter Sachs an Bord seiner Yacht in Saint-Tropez zeigt, während er die Sonntagszeitung der Beklagten liest. Im Begleittext heißt es u.a.: “Er liest [Zeitung] am Sonntag wie über elf Millionen andere Deutsche auch” und “[Zeitung] am Sonntag ist sein Hafen.”

Sachs war der Meinung, er werde durch die Berichterstattung “werblich vereinnahmt”. Für den Abdruck der Fotos verlangte er u.a. eine entsprechende Lizenzgebühr und für die Zukunft Unterlassung. Das Landgericht Hamburg wies die Klage insoweit ab.

Der Unterlassungsantrag war zu unbestimmt und damit unzulässig. Das beantragte Verbot, den Kläger “werblich zu vereinnahmen, insbesondere wie in [Zeitung] vom 10.08.2009 geschehen” enthalte wertende Elemente. Es könne nur im Einzelfall entschieden werden, ob jemand tatsächlich werblich vereinnahmt worden sei. Hieran änderte auch der “Insbesondere-Zusatz” im Antrag nichts.

Einen Anspruch auf Lizenzgebühren verneinte das Landgericht Hamburg ebenfalls. Erneut bestätigte es die Hamburger Rechtsprechung, dass der Abgebildete bei rein publizistischer Verwendung einer Abbildung nach der Verkehrssitte grundsätzlich kein Entgelt beanspruchen könne. Dies gelte auch für rechtswidrige Medienberichte. Die angegriffene Veröffentlichung sei redaktionell, weil zwischen Gunter Sachs und der Sonntagszeitung der Beklagten kein künstlicher Zusammenhang hergestellt, sondern lediglich wahrheitsgemäß über seine Sonntagslektüre berichtet worden sei.

Das Landgericht betonte schließlich, dass der Begleittext nicht nur einen beliebigen Anlass geschaffen hatte, um über das Foto zu berichten (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 11.3.2009, I ZR 8/07 – “Rätselheft”). Vielmehr sei das Sachs-Bildnis der Kern der Berichterstattung gewesen. Wegen der Bekanntheit des Klägers habe auch ein öffentliches Interesse hieran bestanden.

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Presserechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Gegendarstellung und Richtigstellung sind kostenrechtlich "dieselbe Angelegenheit"
(LG Berlin, Urt. v. 03.11.2009 - 27 S 5/09)

Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüche kostenrechtlich “dieselbe Angelegenheit” (§ 15 Abs. 2 RVG) darstellen, wenn sie aufgrund desselben rechtsverletzenden Beitrags gegen ein Medium geltend macht werden.

Verfolgt der Anwalt die Ansprüche für seinen Mandanten vorgerichtlich in verschiedenen Aufforderungsschreiben, kann er diese daher trotzdem nur einmal und einheitlich abrechnen. Hierzu ist aus den unterschiedlichen Gegenständen (Unterlassung, Gegendarstellung, Richtigstellung) zunächst ein kumulierter Gegenstandswert zu bilden (vgl. § 22 Abs. 1 RVG). Auf Grundlage dieses kumulierten Gegenstandswertes ist die entstandene einfache Anwaltsgebühr zu berechnen. Nur diesen Betrag konnte die Klägerin daher vom beklagten Medium als Schaden ersetzt verlangen.

Das Landgericht stützt sich in seinem Urteil auf die jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur kostenrechtlichen Behandlung paralleler Abmahnschreiben (vgl. BGH, Urt. v. 26.05.2009, Az. VI ZR 174/08; BGH, Urt. v. 04.12.2007, Az. VI ZR 277/06). Es hebt zutreffend hervor, dass es der Annahme einer einheitlichen Angelegenheit nicht entgegenstehe, dass der Mandant im Innenverhältnis ggf. mehrere Aufträge erteilt habe. Unerheblich sei ferner, ob der Anwalt hinsichtlich der verschiedenen Ansprüche unterschiedliche rechtliche Prüfungen anstellen musste. Allein entscheidend sei, ob zwischen den unterschiedlichen Gegenständen ein innerer Zusammenhang bestehe, ob also “die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören”. Dies hat das Landgericht für Unterlassung, Gegendarstellung und Richtigstellung bejaht.

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Presserechtliche Unterlassungsansprüche zweier Betroffener sind kostenrechtlich "dieselbe Angelegenheit"
(LG Hamburg, Urt. v. 02.10.2009 - 324 O 174/09;
LG Hamburg, Urt. v. 02.10.2009 - 324 O 175/09)

Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass die Unterlassungsansprüche zweier Betroffener kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 RVG) darstellen, wenn beide aufgrund desselben Beitrags gegen dasselbe Medium vorgehen.

Die Beklagte hatte auf ihrer Internetseite einen Beitrag über zwei prominente Brüder veröffentlicht. Beide Brüder gingen separat, jedoch vertreten von demselben Rechtsanwalt, gegen die Berichterstattung vor und ließen die Beklagte mit wortgleichen Schreiben abmahnen. Mit ihren späteren Hauptsacheklagen verlangten die Brüder u.a. Freistellung von den vorgerichtlichen Abmahnkosten. Diese hatte der Anwalt ihnen jeweils in voller Höhe in Rechnung gestellt.

Das Landgericht entschied, dass trotz des separaten Vorgehens kostenrechtlich nur eine Angelegenheit vorliege und damit nur eine Anwaltsgebühr entstanden sei. Das Landgericht argumentierte, dass die Aufträge der beiden Brüder angesichts der identischen Berichterstattung und des identischen Ziels zusammengehörten. Ferner seien die Aufträge auch einheitlich bearbeitet worden. Die höchstpersönliche Natur der Unterlassungsansprüche hindere nicht deren gemeinsame bzw. einheitliche Prüfung, Anmeldung und Durchsetzung.

Erstattungsfähig waren die Abmahnkosten daher nur in folgender Höhe: Für beide Gegenstände (Unterlassungsansprüche) war zunächst ein kumulierter Gegenstandswert zu bilden (vgl. § 22 Abs. 1 RVG). Hieraus war eine einheitliche Anwaltsgebühr zur berechnen. Diese Gebühr schuldeten die Brüder ihrem Anwalt je zur Hälfte. Nur in dieser Höhe konnten sie daher von der Beklagten Freistellung verlangen.

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Erforderlichkeit der Annahme von eingeschränkten äußerungsrechtlichen Unterlassungserklärungen
(OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.03.2009 - 14 U 66/08)

In äußerungsrechtlichen Angelegenheiten kommt ein Unterlassungsvertrag bei einer eingeschränkten Unterlassungserklärung erst dann zustande, wenn der Betroffene diese innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 247 BGB annimmt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.03.2009 – 14 U 66/08, n.rk.).

Hintergrund des Verfahrens ist eine äußerungsrechtliche Auseinandersetzung über eine Buchrezension. Der Autor mahnte den Rezensenten ab, woraufhin dieser eine sehr eingeschränkte Unterlassungserklärung abgab. Der Autor rührte sich daraufhin mehrere Monate nicht. Als er entdeckte, dass die Rezension von Dritten unverändert verbreitet wurde, machte er eine Vertragsstrafe gegenüber dem Buchrezensenten geltend.

Der Senat stellte zu nächst fest, dass die eingeschränkte Erklärung die Ablehnung des ursprünglich mit der Abmahnung erfolgten Angebotes darstellte, verbunden mit dem Angebot, einen neuen Unterlassungsvertrag zu schließen (§ 150 Abs. 2 BGB). Der Kläger hatte jedoch weder ausdrücklich noch konkludent dieses Angebot rechtzeitig angenommen. Die spätere Geltendmachung der Vertragsstrafe sei jedenfalls verspätet. Der Zeitraum, in welchem der Abgemahnte den Eingang der Antwort auf sein Angebot erwarten durfte, sei nach über eineinhalb Jahren längst abgelaufen, eine Annahme nach § 147 Abs. 2 BGB nicht mehr möglich.

Der Senat setzte sich in dem Urteil ausführlich mit der vergleichbaren Diskussion in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten auseinander. Soweit allerdings im Wettbewerbsrecht die Auffassung vertreten werde, eine Unterlassungserklärung könne erstens regelmäßig unbefristet angenommen und zweitens auf einen Zugang der Annahmeerklärung verzichtet werden, sei jedenfalls in äußerungsrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich an den allgemeinen Regelungen der §§ 147 bis 151 BGB einschließlich der Fristen des § 147 Abs. 2 BGB festzuhalten. Es sei insbesondere dem Verletzten hier in der Regel zuzumuten, sich alsbald zu entscheiden, ob er das Angebot annehmen wolle oder nicht.

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Bildberichterstattung über Unfallopfer mit StudiVZ-Foto: Keine Geldentschädigung
(LG Hamburg, Urt. v. 28.11.2008 - 324 O 329/08)

Das Landgericht Hamburg hat die Geldentschädigungsklage einer 19 Jährigen Skifahrerin abgewiesen, über deren Skiunfall unter Verwendung ihres großformatigen Bildnisses berichtet wurde. Das verwendete Foto stammte aus dem Internet-Kommunikationsnetzwerk StudiVZ.

Die Klägerin war auf der Skipiste mit ihrer Freundin zusammengestoßen, welche an den Folgen des Unfalls verstarb. Der beklagte Verlag hatte die Berichterstattung in den Kontext weiterer tragischer Unglücksfälle auf der Skipiste gestellt, dabei über die Gefahren des Wintersports aufgeklärt und auf Schutzmaßnahmen (wie z.B. freiwillige Helme) hingewiesen.

Das Landgericht Hamburg sah durch den Abdruck des Fotos zwar das Anonymitätsinteresse der Klägerin als Unfallopfer verletzt. Es verneinte aber das für die Geldentschädigung erforderliche besondere Gewicht der Persönlichkeitsrechtsverletzung:

Gerade das Anliegen der Aufklärung sei in starkem Maße auf eine Berichterstattung angewiesen, die sich auf Einzelschicksale beziehe und so das Mitgefühl der Leser anspreche. Eine “personalisierte” Berichterstattung durch Fotos befördere die innere, auch gefühlsgesteuerte Auseinandersetzung und trage so verstärkt zur Meinungsbildung bei.

Der Umstand, dass das paßbildähnliche Foto der Klägerin aus der Internetbörse StudiVZ entnommen worden war, führte zu keinem anderen Ergebnis. Die AGB der Börse verbieten zwar die Verbreitung der enthaltenen Bilder, dies jedoch nicht in den “gesetzlich zugelassenen Fällen”. Ein solcher Fall lag hier vor, denn der Unfall bildete in seiner Tragik ein Ereignis der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr. 1 KUG), über den mit (neutralem) Foto des Opfers auch ohne Einwilligung berichtet werden durfte.

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Keine Lizenzentschädigung bei Veröffentlichung von Fotos im redaktionellen Teil ("Jauch Hochzeit")
(Oberlandesgericht Hamburg, Urteil v. 09.09.2008, Az.: 7 U 13/08)

Nach Ansicht des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts stehen Betroffenen bei einer redaktionellen Bildberichterstattuäng grundsätzlich keine Ansprüche auf Lizenzentschädigung zu. Zahlungsansprüche sind in diesen Fällen unter den besonderen Voraussetzungen auf Geldentschädigung beschränkt.

Gegenstand des Rechtstreits war ein Foto, das den Kläger, den TV-Moderator Günther Jauch, beim Sektempfang nach seiner Hochzeit in dem von außen einsehbaren Hof der Potsdamer Friedenskirche zeigte. Das Foto war im Lokalteil der betreffenden Zeitung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Hochzeit veröffentlicht worden.
Landgericht und Oberlandesgericht hielten die Veröffentlichung bereits für nicht rechtswidrig, weil die Hochzeit ein zeitgeschichtliches Ereignis gewesen sei und der Kläger eine Veröffentlichung, die ihn aus diesem Anlass bei einer von außen für jedermann sichtbaren Situation zeige, dulden müsse.

Urteil des OLG Hamburg (pdf, 255 kB)

Urteil des LG Hamburg (324 O 129/07) als Vorinstanz (pdf, 408 kB)

Erstattung von Abmahnkosten: "Dieselbe Angelegenheit" bei unterschiedlichen Antragstellern, aber gleichen Sachverhalten
(AG Hamburg, Urteil vom 08.04.2008 – 36A C 233/08)

Können Abmahnungen einheitlich bearbeitet werden, weil sie denselben Sachverhalt betreffen, handelt es sich um „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne des § 22 RVG (bzw. § 7 Abs. 2 BRAGO) mit der Folge, dass die Gebühren einheitlich nach den zusammengerechneten Werten der einzelnen Unterlassungsansprüche ohne Erhöhungsgebühr für die Mehrvertretung zu berechnen sind.

Der Kläger und seine Ehefrau verlangten die Erstattung von Abmahnkosten. Die insgesamt vier erfolgten Abmahnungen betrafen die Veröffentlichung eines Fotos, das die Ehefrau des Klägers zusammen mit einem Mann zeigte, wobei der Mann fälschlicherweise als der Kläger bezeichnet war. Der Kläger und seine Ehefrau forderten von der Beklagten zunächst mit zwei gesonderten Schreiben die Abgabe von Unterlassungsverpflichtungserklärungen. Anschließend verlangten sie mit zwei weiteren, ebenfalls gesonderten Schreiben den Abdruck entsprechender Widerrufe. Die Beklagte kam den Begehren grundsätzlich nach, war allerdings nicht bereit, die Abmahnkosten auf der Grundlage von vier gesonderten Angelegenheiten zu erstatten.

Das Gericht bestätigte die Auffassung der Beklagten. Unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 04.12.2007 (WRP 2008, 364, 366 – dieselbe Angelegenheit) wertete das Gericht die Abmahnungen als „dieselbe Angelegenheit“ im kostenrechtlichen Sinne. Die Individualität der jeweiligen Begehren stehe dem nicht entgegen. Denn die Regelung in §§ 7, 22 RVG, Nr. 1008 RVG-VV beruhe gerade auf der Besonderheit, dass zwischen derselben Angelegenheit mit verschiedenen Gegenständen und derselben Angelegenheit mit demselben Gegenstand unterschieden werde. Ob die Beauftragung des Rechtsanwaltes durch den Klägers und seiner Ehefrau zu unterschiedlichen Zeiten erfolgten, sei kostenrechtlich ebenfalls unerheblich. Jedenfalls die Unterlassungsverfahren einerseits und die Widerrufsverfahren andererseits seien demnach einheitlich abzurechnen.

Ausdrücklich offen ließ das Gericht die Frage, ob auch die Unterlassungs- und Widerrufsverfahren kostenrechtlich als „dieselbe Angelegenheit“ anzusehen seien. Auf diese Frage kam es in dem Rechtsstreit nicht an, weil die Beklagte die Kosten für eine gesonderte Berechnung des Unterlassungs- und Widerrufsbegehrens außergerichtlich bereits ausgeglichen hatte.

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Zum Auskunftsanspruch der Presse gegen städtische GmbH - Zivilrechtsweg und umfassendes Auskunftsrecht
(Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil v. 25.02.2009 - 7 K 2428/08;
Verweisendes Gericht: LG Hamburg, Beschluss v. 09.05.2008 - 313 T 34/08;
Vorinstanz: AG Hamburg, Beschluss v. 26.02.2008 - 36A C 202/07)

Für den Auskunftsanspruch von Medienvertretern gegenüber Behörden (§ 4 Hamburgisches Pressegesetz) ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet, wenn der konkrete Adressat des Auskunftsbegehrens in privatrechtlicher Organisationsform betrieben wird und keinerlei Hoheitsbefugnisse innehat.

In dem Hamburger Rechtsstreit hatte ein Verlag die als GmbH organisierte Betreiberin der städtischen Schwimmbäder um Auskunft über ihre Besucherzahlen gebeten. Nach Verweigerung der Auskunft erhob der Verlag Klage vor dem Zivilgericht.

Das zunächst angerufene Amtsgericht Hamburg hatte auf die Rechtswegrüge der GmbH den ordentlichen Rechtsweg für eröffnet erklärt (§ 17 a Abs. 3 S. 2 GVG). Trotz öffentlich-rechtlichen Charakters der Anspruchsnorm sei der Rechtsstreit zivilrechtlicher Natur, da keine der Parteien hoheitlich handeln könne. Das Landgericht Hamburg als Beschwerdeinstanz verwies demgegenüber an das Verwaltungsgericht. Diese Verweisung war für das Verwaltungsgericht zwar bindend (§ 17a Abs. 2 S. 3 GVG). Es machte jedoch deutlich, dass “erhebliche Zweifel“gegen eine Betrachtung als öffentlich-rechtliche Streitigkeit (§ 40 Abs. 1 VwGO) bestünden.

In der Sache entschied das Verwaltungsgericht für einen weiten Umfang des presserechtlichen Auskunftsanspruchs. Dieser sei nicht auf aktuelle Vorkommnisse oder ein aktuelles Berichterstattungsinteresse beschränkt. Vielmehr sei es legitime Aufgabe der Presse, auch bislang nicht in der öffentlichen Diskussion stehende Vorgänge anzusprechen.

Den Einwand der städtischen Bäder, anhand der nachgefragten Besucherzahlen könne der Verlag noch nicht beurteilen, welches Bad “gut laufe”, ließ das Gericht nicht gelten. Es unterliege der Einschätzung der Presse, welche Information sie zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe für dienlich halte. Klar widersprach das Verwaltungsgericht dem Argument der Bäder, die jährlichen Besucherzahlen wären als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis der GmbH geschützt (§ 85 GmbHG).

Ausdrücklich hielt das Gericht fest, dass auch die Möglichkeit einer falschen Berichterstattung nicht ausreiche, um den Auskunftsanspruch zu verneinen. Der Betroffene – hier das städtische Bad – sei insoweit auf die spezifisch presserechtlichen Ansprüche (z.B. Gegendarstellung) verwiesen.

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Urteil des VG Hamburg (pdf, 703 kB)

Beschluss des LG Hamburg (pdf, 123 kB)

Beschluss des AG Hamburg (pdf, 123 kB)

Domaininhaber als Unterlassungsschuldner
(Oberlandesgericht Hamburg, Urt. v. 05.08.2008 - 7 U 29/08;
Landgericht Hamburg, Urt. v. 08.02.2008 – 324 O 862/07)

Der Domaininhaber, der es Dritten auf vertraglicher Grundlage ermöglicht, Inhalte auf seiner Internetseite einzustellen, haftet allein deshalb weder als Täter noch als Störer, wenn die eingestellten Inhalte fremde Persönlichkeitsrechte verletzen. Dies hat das OLG Hamburg festgestellt und die gegenläufige Entscheidung des LG Hamburg aufgehoben.

Beklagte Partei des Hamburger Rechtsstreits war die Verlagsgesellschaft eines Printmagazins. Sie ist zugleich Domaininhaberin für den Internetauftritt des Magazins. Die Inhalte der Internetseite werden jedoch nicht von der Beklagten allein, sondern auch von einer Schwestergesellschaft des gleichen Konzerns beigesteuert. Hierfür besteht eine vertragliche Abrede.

Nachdem ein Text der Konzernschwester die Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzt hatte, verklagte er in erster Instanz erfolgreich die Domainin-haberin. Diese war nach Ansicht des Landgerichts nicht nur nach den Grundsätzen der Störerhaftung, sondern auch als Täterin der Rechtsverletzung passivlegitimiert. Ausschlaggebend war, dass die Domaininhaberin aufgrund des Nutzungsvertrages pauschal die Verbreitung sämtlicher Inhalte der Konzernschwester gestattete. Das Landgericht betonte, die Domaininhaberin sei in dieser Konstellation ebenso zu behandeln wie ein Herausgeber oder Verleger im Printbereich. Die Haftung greife insbesondere auch dann ein, wenn im Impressum der Internetseite ein anderer als Verantwortlicher genannt sei.

Das OLG Hamburg verneinte in der vorliegenden Konstellation sowohl die Täter- als auch die Störereigenschaft der Domaininhaberin. Die Verbreiter-haftung als Täterin setze die (positive) Kenntnis von der Existenz der rechtsverletzenden äußerung voraus, an der es hier fehlte. Eine Störerhaf-tung verneinte das OLG, da die Domaininhaberin ihre Prüfungspflichten nicht verletzt habe. Eine Kontrolle der Inhalte war also nicht erforderlich. Die formale Begründung des OLG: Jedenfalls dann, wenn im Impressum ein Verantwortlicher genannt sei, sei es nicht angemessen den Domaininhaber faktisch wie den Verleger im Printbereich haften zu lassen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das OLG Ham-burg die Revision zugelassen.

Urteil des OLG Hamburg (pdf, 434 kB)

Urteil des LG Hamburg (pdf, 437 kB)

Europäischer Gerichtshof stärkt Wettbewerb auf den Postmärkten
(Europäischer Gerichtshof, Urt. 06.03.2008 – Az.: C-287/06 bis C-292/06)
"Datenschutzrechtlich illegal": Zulässige Meinungsäußerung für sog. Behavioural Targeting
(Landgericht Hamburg, Urt. 20.11.2007 – Az.: 324 O 473/07)

Das Landgericht Hamburg hat die Äußerung „datenschutzrechtlich illegal“ als zulässiges Werturteil angesehen, soweit damit eine neuartige Software des sog. Behavioural Targeting belegt wurde. Behavioural Targeting bezeichnet als Fachbegriff der Online-Werbewirtschaft die zielgenaue Übermittlung von Werbebotschaften an den potentiell interessierten Nutzer („maßgeschneiderte Werbung“).

Die Antragstellerin in dem Hamburger Rechtsstreit hat eine neuartige Software des Behavioural Targeting entwickelt, deren Leistung in ihrer portalübergreifenden Funktionsweise besteht. Über eine Internetplattform („Börse“) wird die Verbindung zwischen Website-Betreibern und Werbetreibenden hergestellt. Letztere können direkt nach ihren Zielgruppen suchen und ihre Buchung bei den angeschlossenen Websites zusammenstellen.

Die Antragsgegnerin, ein Zeitungsverlag, hatte das beanstandete Zitat verbreitet: „Was das Unternehmen … mit seiner ‚Börse …’ vorhat, ist datenschutzrechtlich schlicht illegal.“

Das Landgericht Hamburg sah hierin eine zulässige Meinungsäußerung, da die rechtliche Bewertung der Börse weder auf erkennbar falscher Tatsachengrundlage noch ohne die erforderlichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte erfolgt sei.

In tatsächlicher Hinsicht war entscheidend, dass das vorgelegte „Unbedenklichkeitsgutachten“ des TÜV eine Vorgängerversion betraf. Obwohl die Antragstellerin geltend machte, sämtliche Nutzerdaten seien anonymisiert, befand das Gericht:

“Aufgrund der Masse der gesammelten Daten und des neuen konzeptionellen Ansatzes erscheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass sich durch die Verknüpfungsleistung ein Personenbezug ergeben kann. Denn die Generierung eines möglichst umfassenden Nutzerprofils stellt gerade die Besonderheit ihres Systems dar, um eine gute Werbewirkung zu erzielen.”

Da es sich bei dem Thema Datenschutz / Behavioural Targeting um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage handele, sei die Meinungsäußerung auch in der erfolgten Schärfe nicht zu beanstanden.

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Jauch scheitert mit Klage über Hochzeitsfoto
(Landgericht Hamburg, Urteile v. 11.01.2008 – 324 O 124/07 und 324 O 129/07)

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteilen vom 11.01.2008 zwei Klagen des TV-Moderators Günther Jauch gegen den Axel Springer Verlag und die Ullstein GmbH abgewiesen. Jauch hatte mit den Klagen auf eine Lizenzentschädigung von jeweils € 100.000,00 und eine Geldentschädigung von zusätzlich jeweils € 30.000,00 wegen der Veröffentlichung eines Fotos geklagt, das ihn nach seiner Hochzeit im Jahre 2006 beim Sektempfang im Hof der Potsdamer Friedenskirche zeigt.

Das Gericht hatte bereits Bedenken an der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung, da das Foto von zeitgeschichtlichem Interesse sei. Jauch habe aufgrund seiner TV-Auftritte „ein Maß an Einfluss auf die öffentlichen Meinungsbildung, wie es kaum ein anderer Moderator in Deutschland erreicht“. Dies gelte sowohl für den Bereich der Unterhaltung, als auch für den Bereich der politischen Willensbildung im engeren Sinne. Wörtlich heißt es in dem Urteil weiter:

“Wer in derart exponierter Weise bundesweit auf die öffentliche Meinungsbildung einwirkt, löst zumindest hinsichtlich der Eckpfeiler seiner persönlichen Lebensgestaltung ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse aus.”

Dazu gehöre auch, mit wem er sich zur Lebensform der Ehe bekenne. Im konkreten Fall habe darüber hinaus sowohl der Ort der Hochzeitsfeierlichkeiten (das Schloss Belvedere und die Friedenskirche in Potsdam) als auch die Prominenz der Gäste (u. a. Thomas Gottschalk, Klaus Wowereit und Herbert Grönemeyer) zu dem öffentlichen Interesse beigetragen. Für eine Geldentschädigung fehle es jedenfalls an der Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung, da das Foto nicht in einem Moment aufgenommen worden sei, in dem der Kläger eines erhöhten Schutzes bedurft hätte. Im konkreten Fall habe das Foto auch keinerlei Lizenzwert, da überhaupt nicht der Eindruck erweckt werde, es sei erst durch eine mit dem Kläger vereinbarte Zusammenarbeit ermöglicht worden. Gegen das Urteil kann Jauch Berufung einlegen.

Urteil (324 O 124/07) des LG Hamburg (pdf, 398 kB)

Urteil (324 O 129/07) des LG Hamburg (pdf, 408 kB)

Namensnennung bei lebenslanger Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung (Berichterstattung im "Online-Archiv")
(Landgericht Hamburg, Urt. v. 22.06.2007 – 324 O 712/06;
OLG Hamburg, Urt. v. 18.12.2007 – 7 U 58/07)

Über einen zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilten Straftäter darf auch 9 Jahre nach der Inhaftierung noch unter voller Namensnennung berichtet werden. Dies hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (7 U 58/07) jüngst entschieden und das gegenläufige Urteil der ersten Instanz aufgehoben.

Der Kläger wurde im Jahr 1997 festgenommen und anschließend wegen Mordes unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Zeitpunkt seiner Haftentlassung ist nicht absehbar. Er wehrt sich gegen einen Zeitungsbeitrag, der identifizierbar über ihn berichtet. Der Beitrag ist zwar mehrere Jahre alt. Er ist jedoch nach wie vor über das Online-Archiv des Verlages im Internet abrufbar.

Das LG Hamburg verbot dem beklagten Verlag die Verbreitung der ursprünglichen Berichterstattung über die Tat und den Täter unter voller Namensnennung, weil dadurch das Resozialisierungsinteresse des Klägers verletzt werde: Trotz des gänzlich ungewissen Entlassungszeitpunkts sah das Landgericht die Chancen des Klägers auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft bereits jetzt als beeinträchtigt an. Es sei außerdem nicht auszuschließen, dass die Berichterstattung den Kläger in seiner „derzeitigen Umwelt“, der Strafanstalt, isoliere. Hieraus ergäben sich schon heute schädliche Wirkungen für die Resozialisierung.

Das OLG Hamburg widersprach dem Landgericht in beiden Punkten. Die in der Strafanstalt spürbaren Auswirkungen namentlicher Berichterstattung haben für das Resozialisierungsinteresse grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Zudem werde die Wiedereingliederung des Klägers in die freie Gesellschaft durch die heutige Berichterstattung noch nicht gefährdet, denn die Mindesthaftdauer ende erst in fünf Jahren, im Anschluss folge die Sicherungsverwahrung, so dass der konkrete Entlassungszeitpunkt ungewiss sei.

Das OLG stellte klar: Der bloße Zeitablauf führe nicht dazu, dass über eine Straftat nicht mehr unter Bekanntgabe des Täters berichtet werden dürfe.

Offen lassen konnte das OLG Hamburg, ob ein Altbeitrag mit Namensnennung, der bei Erscheinen zulässig war, im Online-Archiv des Verlages zeitlich unbeschränkt abrufbar gehalten werden darf. Hierauf kam es im Streitfall nicht an.

Urteil des LG Hamburg (pdf, 680 kB)

Urteil des OLG Hamburg (pdf, 264 kB)

Wortneuschöpfungen durch beschreibende Begriffe sind nicht als Marke schutzfähig ("Markenreisen")
(BPatG, Beschluss vom 26.09.2007, 26 W (pat) 121/05)
Das Benutzungsverbot einer fremden Domain umfasst nicht die Pflicht zur Dekonnektierung
(OLG Hamburg, Beschluss. v. 28.08.2007 – 3 W 151/07)

Wird einem Unterlassungsschuldner mit einstweiliger Verfügung aufgegeben, die Benutzung einer fremden Domain zu unterlassen, so ist dem Unterlassungsgebot nach Ansicht des OLG Hamburg bereits genüge getan, wenn die Inhalte der betreffenden Internetseite gelöscht werden. Einer Dekonnektierung („Abschaltung“) der Domain bedürfe es nicht.

Das OLG Hamburg hatte einem Privatmann im einstweiligen Verfügungsverfahren verboten, für ein unternehmenskritisches Weblog die Domain www.***blog.de zu verwenden, wobei der erste Teil der Domain der Name des kritisierten Unternehmens war. Der Tenor der Unterlassungsverfügung lautete wörtlich auf das Verbot, „die Bezeichnung ***blog.de – in welcher Schreibweise auch immer – als Anschrift einer Internet-Domain zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.“

Der Unterlassungsschuldner löschte daraufhin die Inhalte der Internetseite, so dass bei Eingabe der Domain www.***blog.de lediglich der „Baustellen-Hinweis“ erschien: „Hier entsteht eine neue Internet-Präsenz.“

Den daraufhin erwirkten Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Hamburg wegen fortgesetzter Nutzung der Domain änderte das OLG ab und wies den Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels zurück. Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinngehalt der Unterlassungsverfügung sei im fortgesetzten Konnektierthalten der Domain eine Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot zu sehen. Wörtlich führt das OLG aus: „Steht auf den betreffenden Internetseiten gar nichts oder (wie vorliegend) nicht mehr als ein ‚Baustellen-Hinweis’, so ist insoweit die Adresse funktionslos und wird daher auch nicht benutzt.“

Das OLG Hamburg grenzt in seinem Beschluss von der gegenläufigen Entscheidung des LG Bremen (MMR 2000, 375) ab. Das dortige Verbot, „eine Domain für Dritte bereitzuhalten“ umfasste nach Ansicht des LG Bremen auch das Konnektierthalten. Das Verbot des „Benutzens“ greife demgegenüber kürzer, so das OLG Hamburg. Ob das Konnektierthalten per se eine Kennzeichenrechtsverletzung darstellen kann, ließ das OLG Hamburg in der Entscheidung offen.

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Zum anwendbaren Recht bei Online-Berichterstattung aus dem EU-Ausland
(OLG Hamburg, Urteil vom 24.07.2007 – 7 U 98/06)

Bei der Online-Berichterstattung durch ausländische Diensteanbieter in der Europäischen Union gilt das Herkunftslandprinzip des § 3 Abs. 2 TMG auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Gelangt das ausländische Recht im Herkunftsland des Diensteanbieters zu einem günstigeren Ergebnis, geht dieses Recht dem deutschen Recht vor. Dies hat das OLG Hamburg in seinem Urteil vom 24.07.2007 entschieden.

Ein österreichischer Online-Anbieter hatte auf seiner Internetseite über die Festnahme eines Schauspielers wegen Kokainkonsums berichtet. Der Schauspieler klagte vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung und obsiegte vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Hamburg.

Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB war deutsches Sachrecht zur Anwendung berufen, da die beanstandete Internetseite auch in Deutschland bestimmungsgemäß abrufbar war und der Kläger die Anwendung deutschen Deliktsrechts verlangte.

Nach den maßgeblichen deutschen Haftungsnormen (§§ 823, 1004 analog BGB i. V. m. Artt. 1 und 2 GG) war der Unterlassungsanspruch nach Ansicht des OLG Hamburg zu bejahen. Die deutschen Haftungsnormen würden jedoch, so das OLG, über § 3 Abs. 2 TMG modifiziert (sog. „Filter-Funktion“). Die Vorschrift privilegiere den Online-Anbieter, der in einem anderen europäischen Land ansässig sei, gegenüber dem deutschen Online-Anbieter. Handele der EU-Ausländer im Einklang mit seiner nationalen Rechtsordnung, so müsse er sich trotz grenzüberschreitender Dienstleistung nicht mit den Haftungsbestimmungen der übrigen EU-Länder auseinandersetzen.

Dies kann im Einzelfall eine Rechtsprüfung auf der Grundlage zweier Rechtsordnungen nach sich ziehen: Auf der ersten Stufe ist nach deutschem Recht zu prüfen, ob ein Unterlassungsanspruch besteht. Nur wenn dies der Fall ist, muss auf der zweiten Stufe geprüft werden, ob der ausländische Diensteanbieter nach dem nationalen Recht seines Sitzes rechtmäßig gehandelt hat. Ist letzteres zu bejahen, so ist der ausländische Anbieter privilegiert. Eine Haftung nach deutschem Recht scheidet dann ebenfalls aus.

Im Fall des klagenden Schauspielers bejahte das OLG Hamburg den Unterlassungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung allerdings sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem Recht.

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Namensschutz gegen unternehmenskritisches Weblog
(OLG Hamburg, Beschluss v. 31.05.2007 – 3 W 110/07)

Eine Privatperson, die ein unternehmenskritisches Online-Tagebuch („Weblog“, kurz: „Blog“) betreibt, verletzt das Namensrecht des Unternehmens (§ 12 BGB), wenn sich die Internetadresse ausschließlich aus dem Unternehmensnamen und dem Begriff „Blog“ zusammensetzt. Dies hat derselbe Senat entschieden, der die Domain „awd-aussteiger.de“ als zulässig beurteilt hat (OLG Hamburg, 3 U 117/03, MMR 2004, 415) und damit von dieser Entscheidung abgegrenzt.

Ein Privatmann, der sich seit längerem mit einer großen deutschen Finanzdienstleisterin auseinandersetzte, richtete ein Weblog ein, in dem er regelmäßig kritisch über das Unternehmen berichten wollte. Er wählte dafür die Domain www.***blog.de, wobei der erste Teil der Domain der Name des Unternehmens war.

Das OLG Hamburg verbot die Verwendung der Domain per einstweiliger Verfügung wegen Namensanmaßung. Die Kombination des Unternehmensnamens und dem rein beschreibenden Sachbegriff „blog“ lege – im Gegensatz zum Domainbestandteil „Aussteiger“ – den Schluss nahe, dass sich hinter der Anschrift eine Aktivität des Namensinhabers verberge.

Eine etwaige Klarstellung auf der Internetseite, dass es sich um ein unternehmenskritisches Weblog handele, schließe die Rechtsverletzung nicht aus, denn die Zuordnungsverwirrung sei bereits eingetreten, wenn die Internetseite aufgerufen werde. Die Domain vermittele den Eindruck, dass das Unternehmen dem Publikum ein „Corporate Blog“, ein offizielles Unternehmenstagebuch anbieten wolle. Ausreichend ist nach dem OLG Hamburg, dass dieser Eindruck bei „signifikanten Anteilen des Verkehrs“ entsteht.

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Fahndungsfoto von RAF-Terroristin ist Bildnis der Zeitgeschichte

(Landgericht Berlin, Urt. v. 22.05.2007 – 27 O 357/07; Kammergericht, Beschluss v. 14.08.2007 – 10 U 173/07)

Eine frühere RAF-Terroristin setzte sich gerichtlich gegen die Veröffentlichung eines 20 Jahre alten Fahndungsfoto zur Wehr, mit dem ein Zeitungsbeitrag über ihre bevorstehende Haftentlassung bebildert war. Das Landgericht Berlin sah die Verwendung des Fotos jedoch als zulässig an und wies ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Das Landgericht Berlin begründete die Entscheidung u. a. wie folgt: Die Straftaten der RAF hätten die Geschichte der Bundesrepublik geprägt. Das Fahndungsplakat sei ein zeitgeschichtliches Dokument. Es rufe die Allgegenwärtigkeit derartiger Fahndungsplakate in den 80er Jahren sowie das einzigartige Ausmaß der staatlichen Fahndungsmaßnahmen nach RAF-Mitgliedern ins Gedächtnis, das von außerordentlicher historischer und zeitgeschichtlicher Bedeutung sei. Die Veröffentlichung des RAF-Fahndungsfotos sei daher als Bildnis der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zulässig; eine Persönlichkeitsrechtsverletzung könne ohne das Hinzutreten konkreter entgegenstehender Interessen des Abgebildeten (§ 23 Abs. 2 KUG) nicht angenommen werden.

Derartige entgegenstehende Interessen erkannte das Gericht im konkreten Fall nicht an. Mit der bevorstehenden Haftentlassung sei zwar die strafrechtliche Aufarbeitung der Taten abgeschlossen, nicht aber die gesellschaftliche, wie die aktuellen Debatten um die Begnadigung und Entlassung früherer RAF-Mitglieder zeige. Zudem hatte die Ex-Terroristin 14 Monate vor der Veröffentlichung des Fahndungsfotos bereits einen anderen Zeitungsbeitrag über sich geduldet, der ein großformatiges Portraitfoto enthielt. Die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft sah das Gericht nicht beeinträchtigt. Das 20 Jahre alte Foto verursache keine Nachteile, die nicht schon durch die Namensnennung zu vergegenwärtigen seien.

Den von der früheren Terroristin daraufhin beim Kammergericht eingereichten Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren wies dieses zurück. Das Kammergericht entschied im Gleichlauf mit dem Landgericht Berlin und ging noch einen Schritt weiter: Nicht nur das alte Fahndungsfoto, sondern auch aktuelle Bilder (neutrale Portraitfotos) dürfen zur Berichterstattung verwendet werden. Die Öffentlichkeit habe eine legitimes Informationsinteresse auch am weiteren Lebensverlauf der Gefangenen. Die Haftentlassung markiere eine Zäsur in der Geschichte der RAF und der Bewältigung ihrer Taten.

Berechtigte Interessen (§ 23 Abs. 2 KUG) gegen die Bildveröffentlichung erkannte das KG auch deshalb nicht an, weil die namentliche Nennung der Ex-Terroristin jedenfalls zulässig, der Verletzungseffekt der Bildveröffentlichung daher gemindert sei.

Urteil des LG Berlin (pdf, 538 kB)

Beschluss des Kammergerichts (pdf, 254 kB)

Links bei der Auslegung von Online-Äußerungen nicht zu berücksichtigen
(Kammergericht, Urt. v. 27.04.2007 – 9 U 100/06)

Der Sinn einer Äußerung ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung des Kontextes und der Gesamtumstände zu ermitteln. Eine neue Facette erhalten die Auslegungsgrundsätze nun für den Fall der Online-Berichterstattung durch eine aktuelle Kammergerichtsentscheidung: Der für die Auslegung maßgebliche Kontext beschränkt sich auf die aufgerufene Internetseite. Hyperlinks haben außer Betracht zu bleiben.

Hintergrund der Entscheidung war die Berichterstattung auf der Website eines Online-Kulturmagazins, das regelmäßig Abstracts der Feuilleton-Leitartikel der großen Tageszeitungen anbietet. Ein Feuilletonist wehrte sich gegen die Verkürzung seines Artikels auf eine Aussage, die sich so nicht in dem Beitrag fand.

Der Mediendienst argumentierte, falsche Worte würden dem Autor schon deshalb nicht in den Mund gelegt, weil der Ursprungsbeitrag mit dem Abstract verlinkt sei. Der Leser könne die Interpretation also jederzeit am Ursprungstext überprüfen.

Das Kammergericht untersagte den entsprechenden Passus des Abstracts gleichwohl als unwahre Tatsachenbehauptung. Der Leser einer Zusammenfassung gehe davon aus, dass der Ursprungstext die wiedergegebenen Thesen auch wirklich enthalte. Zum Hyperlink heißt es lakonisch, das Anklicken sei zum einen nicht zwingend, zum anderen sei es für die Rechtsverletzung unerheblich, ob es dem Leser gelinge, die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung selbst herauszufinden.

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Fehlender Aktualitätsbezug des Widerrufs nach Jahresfrist
(LG Hamburg, Urt. v. 30.03.2007 - 324 O 507/06)

Ein Jahr nach dem Erscheinungsdatum eines Zeitungsberichts spricht eine Vermutung dafür, dass dem Beitrag jeglicher Aktualitätsbezug fehlt. Der Anspruch auf Widerruf scheitert nach dieser Zeit in der Regel am Erfordernis der “fortgesetzten Rufbeeinträchtigung”. Dies hat das LG Hamburg kürzlich entschieden.

Der Bürgermeister einer baltischen Hafenstadt hatte einen deutschen Verlag mehr als 14 Monate nach dem Erscheinen des Beitrags über ihn auf Abdruck eines Widerrufs verklagt – erfolglos. Das Gericht nahm die Klage zum Anlass, um Grundsätzliches zum Aktualitätsbezug des Widerrufsanspruchs zu klären:

Nach Ablauf eines Jahres überwiegt mangels Aktualitätsbezuges das Interesse des Verlages, sich nicht durch Abdruck eines Widerrufs ins Unrecht zu setzen gegenüber dem Interesse des Betroffenen. Die Vermutung des fehlenden Aktualitätsbezugs ist jedoch widerlegbar. Sollte das in Rede stehende Thema auch nach Jahresfrist noch aktuell in der Diskussion sein – woran es in dem entschiedenen Fall fehlte -, ist die Vermutung widerlegt.

Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Jahresfrist ist nicht die Kenntnis des Betroffenen von der Berichterstattung, sondern das Erscheinungsdatum. Denn der Aktualitätsbezug der Berichterstattung schwindet bereits ab diesem Datum.

Zur Wahrung der Rechte des Betroffenen genügt es, binnen Jahresfrist nach Veröffentlichung der Erstmitteilung die Klage auf Widerruf einzureichen. Eine überlange Verfahrensdauer wirkt sich nicht zulasten des Betroffenen aus.

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Übernahme fremder Pressemitteilung urheberrechtswidrig
(LG Hamburg, Urt. v. 31.01.2007 - 308 O 793/06)

Die Übernahme fremder Pressemitteilungen auf die eigene Internet-Seite verletzt auch bei geringfügigen Änderungen das Urheberrecht der Verfasser. Das hat das LG Hamburg jetzt noch einmal bestätigt.

Eine im Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwaltskanzlei hatte in ihrer aktuellen Online-Pressemitteilung über Klagen gegen einen ausländischen Vermögensverwalter berichtet. Ein Wettbewerber übernahm diese Pressemitteilung unautorisiert auf die eigene Website, ohne auf die fremde Quelle hinzuweisen.

Den Einwand, es handele sich bei derartigen Pressemitteilungen um gemeinfreie Tagesneuheiten ließ das Gericht nicht gelten. Es sah sie vielmehr als schutzfähiges Sprachwerk der sog. “kleinen Münze” an. Die marginalen Umformulierungen halfen der übernehmenden Kanzlei ebenso wenig wie das Einfügen eigener Zitate. Eine zustimmungs- und vergütungsfreie Nutzung nach § 49 Abs. 1 S. 2, 2. HS UrhG (Pressespiegel) kam schon wegen der unterbliebenen Quellenangabe nicht in Betracht.

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